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Am Sonntag ist es soweit: Dann entscheiden sich die SlowenInnen für oder gegen ein modernes Familienrecht, das Familie als "eine Lebensgemeinschaft von Kindern mit einem oder beiden Elternteilen oder einer/m anderen Erwachsenen/m, wenn diese/r für das Kind sorgt".

Foto: REUTERS/Fred Prouser

Ljubljana - Sloweniens BürgerInnen werden bei einer Volksabstimmung am kommenden Sonntag über das Inkrafttreten des neuen Familiengesetzbuches entscheiden, mit dem das slowenische Familienrecht aus dem Jahr 1976 ganzheitlich überarbeitet wird. Das Gesetz, das viele Verbesserungen zum Schutz von Kindern einführt, ist in konservativen Kreisen umstritten: Unter anderem wegen der Neudefinition der Familie und der Ausweitung der Rechte von Homosexuellen. Aktuelle Meinungsumfragen deuten zwar auf eine mehrheitliche Unterstützung für das Gesetz hin, der Ausgang des verbindlichen Referendums bleibt jedoch offen.

47,2 Prozent dafür

Das neue Familiengesetzbuch befürworten der jüngsten Meinungsumfrage des Meinungsforschungsinstituts Ninamedia zufolge 47,2 Prozent der Befragten, dagegen sprechen sich 40,4 Prozent aus. Wegen der knappen Mehrheit der BefürworterInnen bleibt das Schicksal des Gesetzes bis zuletzt offen. Die Umfragen deuten auf eine Wahlbeteiligung von 50 bis 60 Prozent hin.

Die neue Regelung stellt die Interessen des Kindes in den Mittelpunkt, ungeachtet dessen, in welcher Familienform es lebt. Das Gesetz führt etwa das Verbot von körperlicher Bestrafung oder die Institution eines Kinder-Ombudsmannes ein. Gestärkt wird auch die Rolle des Staates in Familienangelegenheiten, wenn es um den Schutz von Kindern geht.

Das Gesetz weitet außerdem die Rechte von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aus. Homosexuelle Paare bekommen zwar gleiche Rechte wie Ehepaare, dürfen sich aber nicht als solche bezeichnen.

Entspricht UNO-Definition

Umstritten sind einige Bestimmungen, insbesondere eine neue Definition der Familie, die von der traditionellen Auffassung "Vater-Mutter-Kind" abweicht, sowie die Möglichkeit für Homosexuelle, die Kinder ihrer PartnerInnen adoptieren zu können. Das neue Gesetzbuch definiert eine Familie als "eine Lebensgemeinschaft von Kindern mit einem oder beiden Elternteilen oder einer/m anderen Erwachsenen/m, wenn diese/r für das Kind sorgt". Diese Formulierung entspricht einer UNO-Definition. Nach Schätzungen leben in Slowenien derzeit rund 100 Kinder in "Regenbogenfamilien", die bisher nicht die gleichen Rechte wie Kinder in traditionellen Familien hatten, etwa beim Erbrecht.

KritikerInnen gegen "Entwertung" von Mutter- und Vaterschaft

Die GegnerInnen des Familiengesetzbuches - darunter auch die katholische Kirche - kritisieren, dass die Neudefinition der Familie zur Entwertung der Bedeutung von Mutterschaft und Vaterschaft führe. Für die von der Kirche unterstützte konservative Bürgerinitiative, die das Referendum mit gesammelten 40.000 Wählerunterschriften beantragt hat, ist es für die Entwicklung eines Kindes das Beste eine Mutter und einen Vater zu haben.

Rotes Tuch Stiefadoption für Homosexuelle 

Ein rotes Tuch für die GegnerInnen ist auch die explizit festgeschriebene Möglichkeit der Stiefadoption für Homosexuelle. Diese ist allerdings bereits nach der geltenden Regelung zugelassen. Im "alten" Familiengesetzbuch gibt es bei sogenannten einseitigen Adoptionen nämlich keine Unterschiede aufgrund des Partnerschafts-Status. Mit dieser Argumentation hat das slowenische Familienministerium im Sommer 2011 erstmals eine Adoption innerhalb einer homosexuellen Beziehung ermöglicht.

Das Familiengesetzbuch war von der früheren Mitte-Links-Regierung verfasst und im Juni 2011 vom Parlament verabschiedet worden. Die damalige Regierung musste wegen heftigen Widerstands und einer Blockade der konservativen Opposition deutliche Abstriche von ihren ursprünglichen Plänen einer völligen Gleichstellung homo- und heterosexueller Paare machen.

Falsche Behauptungen über den Inhalt

Mit der Abstimmung am Sonntag wird die einmonatige Referendumskampagne beendet. Nicht nur zahlreiche Fachleute und Menschenrechtsorganisationen sondern auch viele Prominente haben sich während der Kampagne aktiv für das neue Gesetzbuch eingesetzt. Unterstützt wird es auch vom Staatspräsident Danilo Türk. Im Gegnerlager ist die katholische Kirche besonders aktiv gewesen. Ihre Gläubigen waren sogar bei Gottesdiensten aufgefordert worden, dagegen zu stimmen. Die GegnerInnen gerieten wegen irreführenden und falschen Behauptungen über den Inhalt des Familiengesetzbuches in die Kritik.

Die neue Mitte-Rechts-Regierung, die als Opposition gegen das Gesetz opponiert hatte, hat sich aus der Kampagne offiziell rausgehalten. Das Familienministerium, das unter der früheren Regierung das Gesetz eigentlich verfasst hat, geriet durch den Regierungswechsel nach der vorgezogenen Parlamentswahl im Dezember 2011 in eine unangenehme Lage. So durfte es unter der neuen Leitung sein eigenes Gesetz nicht mehr unterstützen, die Pro-Argumente und detaillierte Erklärungen des Inhalts wurden von der Internetseite des Ministeriums entfernt. (APA, 20.3.2012)