Geschäfte in Altbauten unterliegen dem MRG - ein Umstand, der oft für Kopfschütteln sorgt.

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Wenn sich ein Restaurant oder ein Handelsbetrieb in einem Gebäude einmietet, das in den Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) fällt, dann ist der Mietzins einerseits streng reglementiert. Der Paragraph 12a des MRG schreibt außerdem vor, dass diese günstige Geschäftsraummiete sozusagen "übergeben" werden kann; wenn der Hauptmieter eines Geschäftslokals sein Unternehmen veräußert und der Erwerber dieses in denselben Räumlichkeiten fortführt, kann er auch in das Hauptmietverhältnis eintreten.

"Schutz für das 'High End' der Einkommensskala"

Den Präsidenten des Verbands der Institutionellen Immobilieninvestoren (VII), Wolfgang Louzek, ist das schon lange ein Dorn im Auge. Das MRG stellt für ihn hier einen Widerspruch zum freien Unternehmertum dar; "viele berechtigte Interessen für eine Regulierung gelten hier nicht", sagte Louzek am Dienstagabend auf einer von seinem Verband organisierten Podiumsdiskussion. Denn durch diese Regelung würden letztlich "nur jene geschützt, die bereits zum 'High End' der Einkommensskala zählen, wie Handelsketten, Rechtsanwälte, Ärzte, etc."

Auch für Ariel Muzicant, den prominenten und bestens vernetzten Wiener Immobilientreuhänder, dessen Unternehmen Colliers Columbus mittlerweile in dritter Generation den Markt beackert, ist das ein "Anachronismus, der schleunigst abgeschafft werden muss. Zwei Kaufleute machen gemeinsam einen Vertrag. Und der Staat maßt sich noch im Jahr 2012 an, in diesen Vertrag einzugreifen", drückte er die Problematik etwas drastischer aus.

Und er machte sie anhand seiner eigenen Situation anschaulich: Sein Vater habe 1961 einen Büromietvertrag in der Goldschmiedgasse abgeschlossen, erzählte er. "Sechs oder sieben Euro" pro Quadratmeter und Monat betrage der Mietzins - auch heute noch für seinen Sohn, der vor kurzem als Geschäftsführer die Firma übernommen hat. "Warum?", fragte er in die Runde. Mieten um die 20 Euro wären für Büroflächen in dieser Wiener Innenstadtlage möglich. Freiwillig mehr zahlen will er natürlich auch nicht - er verlangt eine Gesetzesänderung.

Hauseigentümer zahlen drauf

Dass eine solche tatsächlich vonnöten sein könnte, machten weitere Schilderungen Muzicants deutlich: Es sei nämlich heutzutage ein Leichtes, den Paragraphen 12a - auch in Fällen, wo dies vordergründig nahezu unmöglich scheint - anzuwenden. Sonderkonstruktionen mit Treuhandschaften oder Stiftungen, insbesondere im Ausland, seien Gang und Gäbe, das sei mittlerweile "eine ganze Wissenschaft" geworden. Und alles legal, das betonte Muzicant mehrmals. Draufzahlen würden die Hauseigentümer, an denen so "zweistellige Millionen-Euro-Beträge vorbeifließen", plauderte er aus dem Nähkästchen.

Für Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, hat der Mieterschutz auch für Unternehmen hingegen weiterhin durchaus seine Berechtigung. Insbesondere die große Mehrheit der KMU in der heimischen Wirtschaft benötige einen vernünftigen Kündigungsschutz, um vor mehr oder weniger willkürlichen Mietenerhöhungen gefeit zu sein. Ein aus Kostengründen erzwungener Umzug wäre teuer und arbeitsintensiv, diese Unbilden würden dadurch größtmöglich unterbunden.

Muzicant ließ sich davon aber nicht beeindrucken: "Warum unterstellen Sie allen Vermietern, dass sie so böse sind und immer mehr als das Ortsübliche verlangen würden?"- "21 Jahre Erfahrung", entgegnete Rosifka trocken.

"Typisierter" Rechtsschutz

Johannes Stabentheiner vom Justizministerin warf dann ein, dass man doch hier nur von einem relativ kleinen Segment der Geschäftsraummieten rede - eben jenem, das in den Vollanwendungsbereich des MRG fällt. Im Wesentlichen betrifft das Geschäftslokale in vor 1953 errichteten Altbauten. Der Justiz-Vertreter nahm eine kurze Rückblende ins Jahr 1922 vor, als mit dem "Mietengesetz" der erste Mieterschutz eingeführt wurde. Schon der damalige Gesetzgeber hatte neben der Erhaltung der Gebäude den Schutz der kleinen Gewerbetreibenden im Sinn, erklärte er. Dieser "typisierte" Rechtsschutz habe seine Schwächen, aber eine mehr auf den Einzelfall fokussierte Rechtsprechung wäre nicht mehr handhabbar, so Stabentheiner sinngemäß. "Die Zersplitterung des MRG muss beseitigt werden. Nur: In welche Richtung?", fragte er.

Dass eine völlige Neuordnung des MRG notwendig wäre, darin waren sich die Diskutanten einig; schließlich fordert die gesamte Branche dies einhellig seit vielen Jahren. Es wird aber wohl auf absehbare Zeit nicht dazu kommen - wofür Muzicant die vorherrschende "Klientelpolitik" verantwortlich machte. "Ich habe mir eine goldene Nase damit verdient, dass die Arbeiterkammer auf dem Mietrechtsgesetz besteht."

Der frühere IKG-Chef hält einen "Abtausch" für den einzig gangbaren Weg: "Man gibt den Hausherren etwas, und man nimmt ihnen etwas weg." Er hat dabei gleich ein "größeres Paket" im Auge, in dessen Rahmen auch die Wohnmieten neu reguliert werden sollten: "Die Mieten sind in manchen Segmenten in Österreich eindeutig zu hoch." Im Gegenzug sollte die Mietzinsbildung bei allen gewerblichen Objekten freigegeben werden. "Eben eine österreichische Lösung", so Muzicant.

"Unerträglich"

Ministeriums-Vertreter Stabentheiner nahm diese Vorschläge "mit großem Wohlwollen" auf, und auch er räumte ein, dass sich am Mietrecht etwas ändern müsse: "Wegen der Zersplitterung kann das MRG zumindest einen Teil seiner Ordnungsfunktion nicht mehr erfüllen" - nämlich zu garantieren, dass von zwei Vertragsparteien stets einwandfrei festgestellt werden könne, "was Rechtens ist".

Auch Rosifka nannte dies "unerträglich", machte aber auf noch einen wesentlichen Umstand aufmerksam: Die erlaubte Anhebung der Geschäftsraummieten im MRG-Vollanwendungsbereich "wäre ein Vorteil für Immobilienunternehmer, aber ein Nachteil für andere Unternehmer". 

"Größere" Diskussion nötig

Auch der ebenfalls anwesende Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder in der WKÖ, Thomas Malloth, blies ins selbe Horn: "Wenn ich das in meinen Gremien fordere, stehen gleich einmal sieben andere Sparten auf und fragen mich, ob ich wo ang'rennt bin." Außerdem hat er Angst vor einem "Kuhhandel"; ein solcher "kann nur schlecht ausgehen", sagte Malloth, der diese Diskussion deshalb als "realpolitisch hochgradig gefährlich" einschätzte. Die Zersplitterung des MRG sei das wahre Problem, dieses müsse man größer diskutieren.

Vielleicht eines Tages tatsächlich im Rahmen eines Gesamtpakets. Stabentheiner zeigte sich angetan von manchen weiteren Vorschlägen Muzicants: "Die Grunderwerbssteuer erhöhen, dafür die Eintragungs- und die Mietvertragsgebühr abschaffen", sagte dieser. Denn auch die Mietvertragsgebühr - deren Abschaffung im Regierungsprogramm drinsteht - könne von "kleinen Mietern" kaum, von großen aber sehr wohl leicht umgangen werden, etwa durch eine Vertragsunterzeichnung in Bratislava.

Einig war man sich letztlich aber auch um einen ganz zentralen Aspekt der Diskussion: Wenn diese Ideen nicht an die "Entscheider" in der Politik herangetragen wird, stehen die Chancen für eine Umsetzung eher schlecht. (Martin Putschögl, derStandard.at, 21.3.2012)