Ziele sind nicht immer im Team zu erreichen, oft bewegt Einzelleistung um vieles mehr, Guido Hertel.

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STANDARD: Professor Hertel, ist die Gruppenarbeit stets und immer die überlegene Leistungsform?

Hertel: Sicherlich nicht! Zum einen gibt es Aufgaben, für deren Lösung man besser alleine arbeitet, weil andere bei der Arbeit stören und die Dinge unnötig kompliziert machen. Ein Beispiel ist die Generierung von kreativen Ideen.

Hier hat die Forschung immer wieder gezeigt, dass sogenanntes Brainstorming in Gruppen zu schlechteren Ergebnissen führt, als wenn dieselbe Anzahl Personen alleine Ideen generiert. Hier sind Arbeitsgruppen einfach keine gute Lösung, da die anderen Teammitglieder die eigene Kreativität und den Gedankenfluss stören. Zum anderen kann es sein, dass Arbeitsgruppen zwar sinnvoll sind, aber nicht gut funktionieren. Ein Beispiel sind Personalauswahlgremien, die lieber über Dinge sprechen, die allen Mitgliedern bereits bekannt sind, während das besondere Wissen einzelner Mitglieder - sogenanntes "ungeteiltes" Wissen - unberücksichtigt bleibt. Das prinzipiell vorhandene Potenzial für gute Leistungen dieser Teams wird dadurch verschenkt - leider.

STANDARD: Zugespitzt - was sagen Ihre Forschungsergebnisse? Team oder Einzelarbeiter, wer hat wann die Nase vorn?

Hertel: Zentral ist die Passung zur Aufgabe. Teams haben vor allem dann Vorteile, wenn es sich um komplexe Aufgaben handelt, in denen verschiedene Einzelbeiträge beziehungsweise -kompetenzen sinnvoll kombiniert werden können und sich gegenseitig ergänzen. Hier können Teams von der Vielfalt von Expertise und Fachwissen der verschiedenen Mitglieder profitieren.

Darüber hinaus sind Teams sinnvoll, wenn soziale Unterstützung und Feedback gebraucht werden, beispielsweise bei Einsätzen in Katastrophengebieten oder aber bei sehr belastender Arbeit im therapeutisch-klinischen Bereich. Im Vergleich zu Einzelpersonen bieten die sozialen Prozesse innerhalb von Arbeitsgruppen zusätzliche Ressourcen. Anders, wie gesagt, stellt sich die Situation bei der Ideenfindung dar. Bei der Frage "Team oder Einzelarbeiter?" gilt es also sorgfältig die Aufgabenstellung im Auge zu haben.

STANDARD: Da die Komplexität beruflich-geschäftlicher Aufgabenstellungen zunimmt, dürfte das immer mehr zu Einzelkompetenzen bündelnder Zusammenarbeit im Team zwingen. Sollen diese Teams effizient arbeiten, worauf kommt es dann an?

Hertel: Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren gehört ein gutes und umsichtiges Management des Teams, früher sagte man Führung. Konkret verlangt das eine sinnvolle Aufteilung und ein ebensolches Monitoring der Teilaufgaben und vor allem eine Beachtung der psychosozialen Prozesse im Team.

Führungskräfte brauchen neben hoher Fachkompetenz also definitiv auch soziale Kompetenzen, um beispielsweise Konflikte rechtzeitig zu antizipieren und die richtigen Schritte zu deren Auflösung einzuleiten. In den letzten Jahren ist diese Herausforderung durch die Digitalisierung von Gruppenarbeit noch zusätzlich erschwert worden, da die Führenden oft nur indirekten Kontakt, beispielsweise via E-Mail oder Grundsätzlich ist es natürlich auch möglich und oft auch sinnvoll, einen Teil der Führungsprozesse auf die einzelnen Teammitglieder zu verteilen. Dabei dürfen Teams jedoch nicht allein gelassen werden; das heißt, neben einer guten und manchmal zeitintensiven Vorbereitung brauchen Teams auch kontinuierliche Unterstützung und ernstgemeinten Rückhalt durch das, pauschal gesagt, organisationale Umfeld. Telefon, mit den einzelnen Teammitgliedern haben. Allein schon von daher brauchen sie besonders gute "Antennen" für die zwischenmenschlichen Prozesse, um konflikthafte Situationen rechtzeitig auffangen und, nicht minder wichtig, demotivierte Teammitglieder wieder "aufrichten" zu können.

STANDARD: Eine nicht unerhebliche Störgröße kann der zwischenmenschliche Wettbewerb sein. Persönlichen Ehrgeiz, Eigennutz und Gruppennutz gilt es also auszutarieren. Wie gelingt das?

Hertel: Durch klare Zielvergaben und Würdigung der Leistungen aller (!) Mitglieder des Teams. Gutes, effizientes Teammanagement verknüpft die Einzelinteressen der Mitglieder mit den Zielen des Teams. Beispielsweise so, dass nur der Erfolg eines Projektteams positive Auswirkungen auf die Karrieren der einzelnen Teammitglieder hat.

Von großer Bedeutung ist auch eine hohe Identifikation der Mitglieder mit ihrem Team. Sie fördert und unterstützt die Bereitschaft, egoistische Interessen zugunsten der Gruppeninteressen zurückzustellen. Eine häufig eingesetzte Strategie hierzu ist der Wettbewerb zwischen Arbeitsgruppen. Dies kann tatsächlich die Motivation und den Zusammenhalt innerhalb eines Teams steigern. Zu bedenken ist dabei aber, dass das allerdings auch zulasten des Kooperationsklimas innerhalb des Unternehmens gehen kann. Denn die Unterstützung von Mitgliedern anderer Teams ist bei einem solchen Wettbewerb natürlich tabu. Hier gilt es, sorgfältig Team- und Betriebsklima im Auge zu behalten.

STANDARD: Ein anderer heikler Punkt ist der Missbrauch des Teams als Bühne für die persönliche "Imagepflege". Die großen Selbstdarsteller, wie werden sie im Team entschärft und sozialisiert?

Hertel: Erster Schritt dazu ist, die zugrundeliegenden Interessen dieser Mitarbeiter zu erkunden und zu versuchen, sie mit den Zielen des Teams zu verknüpfen. So kann man beispielsweise sehr dominante Personen durch die Verantwortung für "sichtbare" Teilaufgaben sinnvoll ins Team einbinden, sodass das Team von den Stärken der Person profitiert. Eine Möglichkeit wäre, sie als Sprecher des Teams nach außen fungieren zu lassen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese Mitglieder nicht versuchen, die Leistung der anderen Teammitglieder in den Schatten zu stellen. Generell gibt es natürlich auch Unterschiede in der individuellen Eignung und in der Präferenz für Teamarbeit: So wie es Aufgaben gibt, die sich nicht gut für Arbeitsgruppen eignen, so gibt es auch Charaktere, die nicht in ein Team gehören, die also im Sinne des Ganzen besser und effizienter alleine arbeiten.

STANDARD: Gleichwohl bleibt die Frage nach dem persönlichen "Gewinn" des vorbehaltlosen Einsatzes im Team. Leistung wird regelmäßig beurteilt. Und von dieser Beurteilung hängt vieles ab. Wie wird diesem verständlichen Bedürfnis nach individueller Leistungsanerkennung bei der Teamarbeit Rechnung getragen?

Hertel: Wie es schon anklang, durch entsprechende Würdigung der Leistung des Einzelnen innerhalb des Teams, bei der insbesondere die Konsequenzen der Einzelleistung für die übrigen Mitglieder betont werden. Gerade angesichts des zunehmenden Einsatzes von Teams ist das Verhalten des Einzelnen in Teams eine ganz zentrale Leistungs- und somit Beurteilungsdimension.

STANDARD: Zwei Sätze aus Ihren Arbeiten sind mir in diesem Zusammenhang besonders in Erinnerung. Einmal: "Die Aufgabe sollte so gestaltet werden, dass die Teammitglieder sehen, welche Auswirkungen ihre Teilleistung auf die Arbeit der anderen hat." Wie lässt sich das sicherstellen?

Hertel: Wichtig ist dieser Aspekt vor allem, um soziale Verantwortung als zusätzliche Motivationsquelle zu nutzen. Unsere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass das Erleben von Verantwortung für andere eine zentrale Quelle zusätzlicher Anstrengung ist, die sogar zu höherer Leistung führen kann als interpersonaler Wettbewerb.

Leider ist dieser Prozess vielen Führenden nicht klar, das heißt, sie sehen ihre Mitarbeiter nur als egoistische Nutzenmaximierer. Der Verdeutlichung der Bedeutung beziehungsweise der Konsequenzen des persönlichen Leistungsbeitrags dienen auch Mitarbeitergespräche, kontinuierliche Feedbackprozesse - auch auf Teamebene - oder einfach ein spontanes Lob.

STANDARD: Und zum anderen: "Teamarbeit ist ein Instrument, das verantwortungsbewusst eingesetzt werden muss." Was haben Sie damit sagen wollen?

Hertel: Die dargestellten Einschränkungen von Teamarbeit zeiSchlechtes Teammanagement und gruppenspezifisches Unwissen führt häufig dazu, dass Teams ihr Potenzial nicht nutzen können. Entsprechend ist neben der sorgfältigen Prüfung der Aufgabenstellung eine fundierte Ausbildung der Teamverantwortlichen ausschlaggebend für den Erfolg. Teamarbeit ist eine komplexe Angelegenheit, aber gerade deshalb auch so spannend! Es kommt entscheidend darauf an, offen und wachsam zu sein, um die vielfältigen Potenziale von Teams zu erkennen und zu nutzen, aber auch mutig genug, um alternative Arbeitsformen einzusetzen wenn diese effizienter sind. gen, dass Gruppenarbeit kein Allheilmittel ist - im Gegenteil: Teamarbeit ist häufig nicht die beste Lösung für eine Aufgabe oder ein Problem. Und selbst wenn Teamarbeit die beste Lösung für eine Aufgabe ist, heißt das nicht, dass ein eingesetztes Team auch gute Leistungen bringt.

STANDARD: Unlängst hat Ihnen die Deutsche Forschungsgemeinschaft einen weiteren namhaften Betrag zur Erforschung der Teamarbeit zur Verfügung gestellt. Was wollen Sie noch genauer wissen?

Hertel: Während frühere Forschung vor allem demotivierende Effekte von Teamarbeit untersucht hat - zum Beispiel sogenanntes "soziales Faulenzen" , bei dem sich einzelne Teammitglieder zulasten der anderen ausruhen, weil sie meinen, es merke keiner -, interessiert uns, ob und wann Teams Anstrengungen der Mitglieder steigern, sodass diese höher sind als bei Einzelarbeit.

In den letzten Jahren haben wir verschiedene Auslösefaktoren für solche Prozessgewinne oder Synergieeffekte in Teams entdeckt und sehr systematisch aufgearbeitet. Eine besonders zentrale Rolle spielt dabei das bereits erwähnte Erleben sozialer Verantwortung, dass nicht nur zu erhöhter Leistungsbereitschaft, sondern auch zu mehr Spaß in Teams führen kann. In unserer aktuellen Forschung untersuchen wir nun, wie anhaltend diese motivierenden Effekte von Teamarbeit über die Zeit sind, wie sie sich verändern und ob sie möglicherweise auch "Schattenseiten" haben. Denken Sie beispielsweise an ein Teammitglied, das sich immer und jederzeit verantwortlich fühlt. Dies kann nicht nur die anderen Mitglieder irritieren, sondern auch zu erheblicher Überlastung dieses Teammitglieds führen. Auch hier sind ein umsichtiger Einsatz von Teamarbeit und ein geschultes Teammanagement entscheidend. (Hartmut Volk, DER STANDARD, 24./25.3.2012)