Immer ein Profi der Selbstinszenierung - mit besonderer Berücksichtigung des Outfits: Madonna, nach wie vor einer der beachteten Popstars. 

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Wien - Eine Erkenntnis, die man aus dem Geschäft ziehen kann, lautet: Sobald die ersten Millionen US-Dollars aufs Konto überwiesen sind, ist es mit der künstlerischen Entwicklung vorbei. Wie man anhand des Werkkatalogs Madonnas, Michael Jacksons und von Prince, den letzten drei wirklichen Genrestars, feststellen kann, muss die Erfolgserfahrung derart überwältigend sein, dass man den Kick mit jeder Neuheit wiederholen und übertrumpfen will. Machs noch einmal Sam - aber gib mir die doppelte Dosis. Der Wunsch, Kunst als Stand der Dinge zu verkaufen - und die Betonung liegt 2012 verzweifelter denn je auf "verkaufen" -, beinhaltet in sich den Stillstand.

Madonna weiß um die Unmöglichkeit des Fortschritts und serviert unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte des Formationstanzes Pop in einem einzigen großen Brocken. Einmal alles, bitte. Nach ihrer letzten CD, dem künstlerischen Flop Hard Candy, und einer Welttournee im Zeichen der Karaokekultur, setzt sie als (trotz Lady Gaga) letzter großer Popstar in dieser Tradition noch einmal einen drauf. Mit dem sowohl nach ihr MDNA betitelten als auch mit voller Absicht auf die alte Euphorie- und Discokugel-Droge MDMA verweisenden zwölften Album ist sie endgültig an jenem Punkt angelangt, an dem alles begann.

Mit Ausnahme der Feuerzeugballade Masterpiece klingelt und rattert fröhlich-blecherne Autoscooter-Disco-Musik der frühen 1980er aus den Boxen. Madonna gibt in Give Me All Your Luvin' oder Girl Gone Wild dazu die sexy Tanzmaus mit Piepsstimme. Zwischen Vergnügungspark für die Familie, Autobahnzubringerradio, Fitnessstudio und Darkroom im Mucki-Club (der SM-Song Gang Bang, aber hallo!) stellt sie noch einmal alles in die Auslage, was diese Dancefloor-Märchen aus uralten Zeiten zeitlos wie aktuell macht. Auch wenn sie ihrem Gang-Bang-Lover in den Kopf schießt, da er sie frech von unten herauf anschaut: Tags darauf ist alles wieder gut. Madonna wartet zu Hause auf ihren Boy, um ihm den Rücken zu massieren oder ihm ein Lied auf der Gitarre vorzuspielen: You Are My Superstar.

Dass sich eine 53-jährige Frau in mehreren Liedern als "Girl" und nicht als Frau inszeniert, mag irritieren. Wo es kein Morgen gibt, dort regiert allerdings jenes Gestern, das uns als Heute untergejubelt wird. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 24./25.3.2012)