Wien - Die geplante europäische Verfassung, über deren Entwurf die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Saloniki am Freitag beraten wollen, bräuchte in Österreich eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Wie der Verfassungsrechtler Heinz Mayer gegenüber der APA erklärte, müsste die EU-Verfassung als Staatsvertrag ratifiziert werden, eine Änderung der österreichischen Bundesverfassung wäre voraussichtlich nötig. Für den Ratifikationsprozess bedarf es eines Vorschlags der Bundesregierung, eines Beschlusses des Parlaments und der Zustimmung des Bundespräsidenten. Langes Prozedere

Der vom EU-Konvent am vergangenen Freitag vorgelegte Verfassungsentwurf ist nur ein erster Schritt in einem langen Prozedere: Bis Mitte Juli will der Konvent noch Nachbesserungen an dem Entwurf vornehmen, vor allem geht es dabei um die strittige Frage der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat.

In einer Regierungskonferenz, die dann unter italienischem EU-Vorsitz im Oktober oder November einberufen werden soll, müssen die Staats- und Regierungschefs der EU-Verfassung zustimmen. Nach dem Willen der derzeitigen griechischen EU-Präsidentschaft soll die Regierungskonferenz bis zu den Europawahlen Mitte Juni 2004 abgeschlossen sein, kurz nach dem Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten im Mai 2004. Neue EU-Verfassung frühestens 2006

Der Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs muss in allen bald 25 Mitgliedsländern ratifiziert werden. Mit In-Kraft-Treten der neuen EU-Verfassung ist damit frühestens Mitte 2006 zu rechnen. In Österreich sei davon auszugehen, dass der Ratifizierungsprozess verglichen mit anderen EU-Staaten "relativ rasch" verlaufe, sagte Mayer.

In Hinblick auf den vom Konvent verabschiedeten Entwurf äußert der Verfassungsrechtler jedoch grundsätzliche Zweifel, ob die EU-Staaten für diesen Schritt wirklich reif seien. "Mein Eindruck ist, dass es für eine EU-Verfassung etwas früh ist, dass man politisch noch nicht so weit ist." Besonders bei der EU-Außenpolitik und bei dem umstrittenen Posten des EU-Ratspräsidenten seien "die Vorstellungen wenig abgeglichen gewesen, das hat sich unmittelbar bei der Formulierung des Textes gezeigt". Widerstand des Vereinigten Königreiches Mayer verweist in diesem Zusammenhang auf den Widerstand Großbritanniens gegen die Aufhebung des nationalen Vetorechts bei außenpolitischen Entscheidungen der EU. Mit der nunmehr vorgeschlagenen Verfassung würde sich eine Krise in der Union wie angesichts des Irak-Krieges wohl auch in Zukunft nicht verhindern lassen, meint der Verfassungsrechtler. "Die Verfassung allein ist es nicht, es ist auch die politische Grundhaltung. Die Europaidee muss stärker verankert sein im Bewusstsein der Mitgliedsstaaten." (APA)