Wer führt eigentlich die österreichischen Parteien? Na die Parteiführung, natürlich! So sehen es die österreichischen Wahlberechtigten - und sie sehen es in immer höherem Ausmaß. Nur bei einer einzigen Partei, den Grünen, wird heute mehr Mitsprache der Basis wahrgenommen als bei noch vor eineinhalb Jahren.

Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Linzer Market-Instituts für den Standard hervor. Der Vergleich zu früheren Umfragen mit denselben Fragen zeigt: Die Parlamentsparteien werden zunehmend als von alten Politikern beherrscht, als uneinig und als abgehoben von der Basis erlebt.

Bei keiner österreichischen Partei gibt es derzeit eine Mehrheit für die Aussage, dass die Funktionäre dieser Partei leicht erreichbar seien.

"Parteien sind in einem Riesenumbruch"

Für die Organisations- und Politikberaterin Barbara Guwak ist das kein überraschender Befund: "Die Parteien sind in einem Riesenumbruch. Früher musste man als SPÖ in jedem Gemeindebau und als ÖVP in jedem Dorf mit Funktionären präsent sein. Denn die Leute haben etwas von der Partei gebraucht. Sie sind auf die Funktionäre zugegangen und haben gebeten, dass sie dies oder das für sie erledigen - aber das hat heute an Bedeutung verloren. Die Menschen sind selbstbewusster, emanzipierter, sie regeln sich ihre Angelegenheiten selber."

Guwak sieht das als positive Entwicklung - und als eine, die Möglichkeiten für neue Player eröffnet: "Stellen Sie sich doch vor, Sie wollten heute eine Partei gründen, die ähnlich wie die ÖVP oder die SPÖ flächendeckend verankert ist. Na viel Glück! Solche Strukturen aufzubauen, wäre nicht finanzierbar." Anders aber stünde es um neue Bewegungen wie die Piraten, die vielleicht nur ein kurzzeitiges Phänomen seien - die aber derzeit in ganz Europa Aufmerksamkeit erreichen und einen Teil der politischen Emotionen kanalisieren können.

Braucht man dazu Parteiprogramme? Die konventionelle Antwort ist ein klares Ja, jene von Guwak ein Achselzucken: Die Programme hätten seit jeher nur die Funktionäre zusammengeschweißt - den (potenziellen) Wählern seien sie stets mehr oder weniger egal geblieben.

Wofür stehen dir Parteien?

Die aktuelle Market-Umfrage belegt das. Auf die Frage "Weiß man, wofür die jeweiligen Parteien stehen oder ist das eher nicht der Fall?" gibt es vor allem bei der FPÖ eine eindeutig positive Antwort, nämlich von 60 Prozent. Und diese Antwort käme vor allem wegen der Positionierung der Strache-Mannschaft gegen Ausländer zustande.

Aber sogar das FPÖ-Profil hat - wie das der meisten anderen Parteien - in den letzten Monaten leicht an Schärfe verloren. Am kräftigsten war dieser Einbruch bei der ÖVP: Im September 2010, unter der Obmannschaft von Josef Pröll, sagten noch 67 Prozent, man wisse, wofür die ÖVP steht. Heute sagen das nur noch 48 Prozent. 47 Prozent vertreten die Gegenposition.

Market-Chef Werner Beutelmeyer: "Der Vergleich mit früheren Umfragen zeigt: Man kennt sich immer weniger aus, wofür die Parteien eigentlich da sind. Ein wirklich festes Bild hat man nur bei den Freiheitlichen und von den Grünen, die nach wie vor als Öko-Partei und in gewissem Sinn als Menschenrechtspartei wahrgenommen werden."

Die Parteiführungen werden bei den meisten Parteien als uneinheitlich und zerstritten wahrgenommen - allerdings mit deutlich unterschiedlichen Tendenzen: Am stärksten haben sich die Grünen konsolidiert, ihnen bescheinigen 47 Prozent, dass sie geschlossen hinter Eva Glawischnig stünden - ein Plus von elf Prozentpunkten gegenüber 2010. FP-Chef Heinz-Christian Strache konnte sich von 54 auf 58 Prozent verbessern. Den schlechtesten Eindruck vermittelt ÖVP-Chef Michael Spindelegger: Hinter seinem Vorgänger Josef Pröll sahen im Herbst 2010 heute unglaublich scheinende 67 Prozent die ÖVP geeint - heute aber sagen nur 38 Prozent, die ÖVP stünde hinter ihrem Chef. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 1.4.2012)