Wien - Eine der Besonderheiten der Musikstadt Wien ist die Beständigkeit ihrer Institutionen: Gleichsam eine Nabelschnur von der Vergangenheit in die Gegenwart lassen Uraufführungsorte wie Musikverein, Staatsoper oder Volksoper die Verbindung zur eigenen Historie auf einzigartige Weise spürbar werden. Auch das Theater an der Wien reicht hier weit in das reiche Gestern zurück.

Zu Anfang des Jahres 1803 wurde hier Ludwig van Beethoven als Hauskomponist verpflichtet, bei seiner ersten "Musikalischen Akademie" am 5. April jenes Jahres leitete der Künstler ein Konzert mit eigenen Werken. Zu hören waren das 3. Klavierkonzert und die 2. Symphonie, wie auch, man hatte gerade Karwoche, das Oratorium Christus am Ölberge: sein "erstes und frühes Werk in der Art", ein kurzweiliges, leichtgewichtiges Leidensgeschichtchen mit opernhaften Zügen.

209 Jahre danach an derselben Stelle nun also wieder die D-Dur Symphonie und wieder das Oratorium (das Klavierkonzert wurde ausgelassen), mit den Wiener Philharmonikern und dem Symphoniker-Chef in spe, Philippe Jordan. Zumindest das erste Werk enttäuschte: Kraftmeierisch, übermotiviert, wie eine Personalunion aus Feldwebel und Fluglotse auf Speed stürzte sich der Musikdirektor der Pariser Oper in und durch das Werk.

Crescendi wurden inflationär ins Fortissimo geführt, die Jumbo-mäßig besetzten, strapaziert klingenden Streicher deckten das Holz zu, etwa im zweiten Satz, bei dessen Tempobezeichnung Larghetto sich Beethoven vertan haben muss - Jordan sieht den Satz als Andantino. Grenzgrößenwahnsinnig auch die Besetzung Johan Bothas als Jesus im Oratorium: Der Südafrikaner mühte sich zwar erfolgreich um Nuancen, wenn er im intimen Theater an der Wien aber das dreifache Forte des Heldentenors auspackte, fühlte man sich an eine LKW-Tour durch einen Ziergarten erinnert.

An Bothas Seite bildete Camilla Nylund (als Seraph) mit ihrem opernhaft-gleißenden Sopran immerhin behelfsmäßig eine Brücke zu Gerald Finley, der als nobler, in oratorischer Singtradition versierter Petrus nicht wusste, wie ihm da in diesen Dezibelstürmen geschah. Himmel, hilf. (Stefan Ender, DER STANDARD, 3.4.2012)