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Die tausend Kleider des Android: Im Bild TouchWiz von Samsung. HTC setzt auf "Sense" und auch Sony, LG und Motorola bauen auf Modifikationen.

Foto: REUTERS/Lee Jae-Won

Die Offenheit und Flexibilität Googles Mobile-Betriebssystems Android hat einen großen Vorteil: Jeder Hardwarehersteller kann das System einsetzen und auf seine Bedürfnisse anpassen. Nicht umsonst konnte die Plattform in nur vier Jahren zur klaren Nummer eins bei Smartphones aufsteigen. Doch die Flexibilität hat auch ihre Tücken: Weil zahlreiche Hersteller das Interface zur besseren Identifikation ihrer Marke optisch und teils auch funktionell anpassen, können Updates des darunterliegenden Betriebssystems Android nur verzögert ausgeliefert werden. Im Schnitt warten Nutzer neun Monate auf neue Versionen und die dazugehörigen Verbesserungen.

Kein Wandel in Sicht

Wer auf eine baldige Änderung dieses aus Sicht der Konsumenten frustrierenden Prozesses hofft, darf sich zumindest von Seiten der Handset-Fertiger nicht allzu viel Bewegung erwarten. Dies geht aus einem Gespräch mit Samsungs Senior Vice President für Product Strategy, JH Park, hervor. Im Rahmen einer Konzernbesichtigung in Korea erklärte der Produktstratege des führenden Produzenten von Android-Smartphones, dass man auch künftig nicht von der Modifikation des Betriebssystems absehen werde. "Wir glauben, dass Samsung eine eigene Anwendererfahrung bieten muss", sagt Park. Kunden müssten auf einen Blick erkennen, dass es sich um ein Gerät von Samsung handelt. Die Software spielt hier im Gegenzug zu Computern eine übergeordnete Rolle, da sich Smartphones bei immer größer werdenden Displays und flacher werdenden Gehäusen äußerlich nur noch im Detail voneinander unterscheiden.

Windows Phone nicht ausgenommen

Dadurch hat die Benutzeroberfläche bei Designern eine höhere Priorität, als zu Zeiten der "Feature-Phones" mit Tasten oder Klappe. Die Modifikationswünsche sind dabei nicht allein auf Android bezogen. Auch Microsoft Mobile-Plattform Windows Phone sollte nach Vorstellung der Entwickler einen individuellen Anstrich erhalten. "Wir würden auch Windows Phone ändern, wenn wir es könnten", erklärt Park. "Allerdings ist Windows Phone nicht sehr flexibel." Dass die Individualisierung auf Kosten der Softwareaktualität gehe, sei in der Masse der Angebote kein vorrangiges Problem. In Samsungs Fabriken allein gehen jede Sekunde zehn Smartphones vom Fließband.

Kein großes Interesse?

In Anbetracht des boomenden Marktes stellt sich die Frage, wie sehr die Hardware-Hersteller überhaupt an laufenden Updates ihrer Geräte interessiert sind. Ein altes Gerät per Software so gut wie neu zu machen, ist aus kaufmännischer Sicht nicht unbedingt erstrebenswert. Wie von einem anderen großen Fertiger zuvor bereits unter der Hand zu vernehmen war, rechnet man intern mit einem Neuanschaffungszyklus von 18 Monaten – also angelehnt an die Dauer und Kündigungsfristen aktueller Mobilfunkverträge.

Nische als Chance

Dass diese Behäbigkeit vor allem stimmkräftige Early-Adopter auf die Palme bringt, eröffnet Anbietern unmodifizierter Android-Geräte Chancen. Bislang bringt Google in Kooperation mit einem auserwählten Hersteller jedes Jahr nur ein Flaggschiff-Smartphone heraus. Diese Geräte wie aktuell das "Galaxy Nexus" zeichnen sich durch ein unverändertes Android aus und erhalten Systemupdates stets als erstes. Außerdem neigen diese Handsets dazu, Android (ohne neu aufgesetzte Oberfläche) reibungsloser wiederzugeben. Stellt sich die Frage, welcher Hersteller als erstes diese Chance aufgreift. Vielleicht braucht es dazu ein massives Umdenken in der Unternehmenspolitik. Der schwer angeschlagene Elektronikriese Sony wäre in dieser Hinsicht kein schlechter Kandidat. Nicht zuletzt kündigte Neo-Chef Kazuo Hirai an, Sony zur Nummer eins bei Smartphones ausbauen zu wollen. Der Verzicht auf ein "verschlimmbessertes" Android wäre ein guter Anfang. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 12.4.2012)