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Attraktivität wird nicht bei allen honoriert. Das ist die Quintessenz einer Studie aus Israel.

Foto: Reuters/O'Reilly

Wenn man einer israelischen Studie Glauben schenkt, dann kann Schönheit kontraproduktiv sein. Und zwar für das berufliche Fortkommen. Allerdings nicht für alle, denn Nachteile bei Bewerbungen erleiden nur Frauen. Im Gegensatz zu attraktiven Männern, die bevorzugt zum Zug kommen. Im Zeitraum zwischen Juli 2008 und Jänner 2010 verschickte ein Forscherduo über 5.312 Bewerbungen auf 2.656 ausgeschriebene Stellen. Mit dem Resultat, dass gut aussehende Frauen seltener eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhielten als Bewerberinnen, die gar kein Bild oder ein nicht so attraktives in ihrem Lebenslauf einfügten. Bei Männern verhält es sich genau umgekehrt.

Zwei Scheinbewerbungen für eine Stelle

Für die Untersuchung versendeten die Studienautoren zwei Scheinbewerbungen auf ein Stelleninserat. Ein Lebenslauf enthielt das Foto einer attraktiven Person, die zweite Bewerbung wurde ohne Bild verschickt. Das gleiche Prozedere - also mit Foto und ohne - wurde mit Durchschnittsgesichtern wiederholt. Gleiches Geschlecht, gleiche Qualifikation. Einmal Männer, einmal Frauen. Dafür wurden fiktive Lebensläufe konstruiert. Jeder Kandidat verfügte über eine eigene Mailadresse und einen Anrufbeantworter, um Zu- oder Absagen empfangen zu können. Um ethnische Diskriminierung auszuschließen, verwendeten die Autoren populäre Vornamen und ausschließlich die Nachnamen Cohen und Levi, die zwei häufigsten in Israel.

Die Jobinserate betrafen zehn verschiedene Branchen, die nicht eindeutig von Frauen oder von Männern dominiert werden. Gesucht wurden etwa Bankmitarbeiter, Programmierer, Verkäufer oder Kundenbetreuer. 27 Prozent der Jobs standen im Fokus der Öffentlichkeit, der Rest waren Bürojobs, wo Kundenkontakte keine so große Rolle spielen. Die im Lebenslauf angegeben Qualifikationen orientierten sich an den Berufsbildern.

Fotos kein Muss in Israel

Für die Fotos mussten Studenten herhalten, die ihr Konterfei zur Verfügung stellten. Eine Jury bestimmte, ob ein Foto als attraktiv oder durchschnittlich zu klassifizieren ist. In Israel, so schreiben die Studienleiter Bradley J. Ruffle und Ze'ev Shtudiner, sei es nicht unüblich, bei Bewerbungen überhaupt auf Fotos zu verzichten. Insofern sei das kein entscheidendes Kriterium für Erfolg oder Misserfolg.

Attraktive Männer bevorzugt

Von den männlichen attraktiven Bewerbern erhielten knapp 20 Prozent eine Einladung zu einem Vorstellungstermin. Ohne Foto wurden 13,7 Prozent der Kandidaten zum Gespräch gebeten und nur 9,2 Prozent jener, deren Lebenslauf mit einem weniger attraktiven Foto versehen war. Das heißt, dass ein hübscher Mann fünf Bewerbungen abschicken muss, um für den Job überhaupt infrage zu kommen, während weniger attraktive Männer elf Anläufe brauchen.

Attraktive Frauen benachteiligt

Bei Frauen sind die Ergebnisse konträr. Die meisten positiven Antworten, nämlich 16,6 Prozent, kamen auf Lebensläufe ohne Fotos, weniger attraktive Frauen erhielten zu 13,6 Prozent eine Einladung zu einem Gespräch, während der Prozentsatz bei hübschen Frauen bei 12,8 Prozent lag. Das heißt: je attraktiver, desto schlechter die Chancen, resümieren die Studienautoren ihre Auswertung.

Konkurrenzdenken

Den Grund für die Diskrepanz zwischen Frauen und Männern sehen die Forscher im Konkurrenzdenken. Während anscheinend Frauen keine attraktiven Kolleginnen an ihrer Seite wollen, stehen hübsche Männer bei allen hoch im Kurs, so der Befund. Denn für die Auswahl der Jobaspiranten sind in erster Linie Frauen verantwortlich. Das ergab die Analyse der Rekrutierungsmaschinerie, die hinter der Vergabe steht. 75 Prozent der Stellen wurden von Personalagenturen inseriert, nur 25 Prozent von den Firmen direkt. Bei den externen Agenturen war die Personalauswahl zu 96 in weiblicher Hand, intern betrug der Frauenanteil 85 Prozent.

Bei Männern ergaben sich keine signifikanten Unterschiede danach, wer für die Stellenausschreibung zuständig war - also Personalagentur oder das Unternehmen selbst. Bei Frauen schon. Personalagenturen ließen eine Präferenz für Lebensläufe ohne Foto erkennen. 16 Prozent wurden zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Die beiden anderen, also hübsch und weniger hübsch, kamen auf jeweils 13 Prozent. Waren Unternehmen selbst für die Selektion verantwortlich, so kamen nur mehr 9,2 Prozent der attraktiven Frauen in die engere Wahl für den Job. Der Anteil der beiden anderen Kategorien lag mit rund jeweils 15 Prozent deutlich höher.

Keine Zusammenarbeit, bessere Chancen

Die Autoren schlussfolgern, dass das Aussehen der Kandidatinnen bei Personalagenturen eine andere Wertigkeit hat. Attraktivere Frauen kommen hier eher zum Zug, weil jene, die sie auswählen, ja später nicht mit ihnen zusammenarbeiten müssen. Die Aufgabe eines externen Dienstleisters besteht nur in der Vermittlung. Beim Recruiting in Unternehmen selbst kommt viel eher das Konkurrenzdenken ins Spiel, weshalb hübsche Damen auch benachteiligt werden. Da gehe es um Dinge wie "anderen die Schau stehlen", behaupten die Forscher.

Das Ergebnis, also die Diskriminierung von hübschen Frauen, sei in dieser Form nicht erwartet worden, schreiben Bradley J. Ruffle und Ze'ev Shtudiner in ihrer Zusammenfassung. Um solche Mechanismen zu vermeiden, raten sie zu anonymen Bewerbungen, bereinigt um Angaben zu Alter, Geschlecht und Foto. Der zweite Punkt: Firmen sollten im Rekrutierungsprozess für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis sorgen. Personalabteilungen dürften nicht reine Frauendomänen sein, heißt es. (om, derStandard.at, 13.4.2012)