Wien - "Mit dem Prinzip der demokratischen Legitimation der Selbstverwaltung" kaum vereinbar: Hinter diesem trocken-juristischen Satz verbirgt sich politischer Sprengstoff. Fiel diese Einschätzung des berichterstattenden Verfassungsrichters doch zu Beginn der Verhandlung über die "Lex Sallmutter".

Dienstag hat der Verfassungsgerichtshof zu prüfen begonnen, ob die Umfärbung des Hauptverbandes verfassungskonform war. Drei Fragen stehen im Mittelpunkt: War es zulässig, den roten Hans Sallmutter abzulösen? War es zulässig, dem roten Wilhelm Haberzettl den Einzug in den Verwaltungsrat des Hauptverbandes zu verwehren, weil er Chef der Eisenbahnergewerkschaft ist? Und ist der Hauptverband überhaupt noch eine Selbstverwaltung?

Ein Hintergrund der dritten Frage ist die neue Konstruktion des Verwaltungsrates des Hauptverbandes, mit der sich die Koalition dort die schwarz-blaue Mehrheit gesichert hat: Einerseits bekam die FPÖ eines der 14 Mandate, obwohl ihre Wahlergebnisse bei den AK-Wahlen sie nicht dazu berechtigt hätten - die Koalition argumentierte das vor dem Höchstgericht mit "Minderheitenschutz". Andererseits wurde der Rat um Vertreter der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und der Landwirtschaftskammer aufgestockt (also zwei Schwarze), damit ergibt sich eine schwarz-blaue Mehrheit von neun zu fünf.

Diese Mehrheitsverhältnisse im Verwaltungsrat sind insofern wichtig, weil dieses Gremium die Nachfolger von Hans Sallmutter wählt: Die Wahl fiel 2001 auf den Christgewerkschafter Herwig Frad und den Wirtschaftskammer- Experten Martin Gleitsmann, Chef wurde der Bauernvertreter Josef Kandlhofer.

Falls der Verfassungsgerichtshof diesen schwarz- blauen Umbau des Hauptverbandes aufheben sollte, wäre das der Höhepunkt der Pannenserie beim Umbau: Der neue Verwaltungsrat geriet wesentlich teurer als das alte Gremium, zudem fiel Frad vor allem mit Debatten über seinen Sonderurlaub und seine Ballspesen auf. Noch pannenreicher war der Umbau der Unterorganisation PVA, Stichwort Gauggs Vertrag.

Allerdings fürchten rote Arbeitnehmer die Reaktion der Regierung auf eine allfällige Aufhebung: Mit der notwendigen Reparatur des Hauptverbandes könnte die Koalition gleich auch die Krankenkassen-Gremien umbauen - zu einer schwarz- blauen Mehrheit. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2003)