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Experte Tobias Natter präsentiert es nun in einem Prachtband von Dumont. Historisches Fotomaterial illustriert die Sammlungspolitik des Großbürgertums. Wien - Was wurde nicht alles geschrieben und publiziert über die Künstler der Wiener Jahrhundertwende. Tobias Natter stieß allerdings auf eine Lücke in der Dokumentation dieser bedeutenden Ära und nutzte sie für eine entsprechende Publikation: Die Geschichte der weltberühmten Kunst in Zusammenhang mit ihren Sammlern. Meist werden Bilder recht isoliert von ihren Produktionsbedingungen beschrieben und erwähnt, der österreichische, an der Österreichischen Galerie im Belvedere "bildungskarenzierte" Kunsthistoriker und ehemalige Gastkurator des Jüdischen Museums Wien beschreibt nun Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Ihre Sammler und Mäzene.

Natter begründet in diesem kürzlich erschienenen, umfangreichen Dumont-Prachtband (ISBN 3-8321-7258-0) die in Wien einzigartige Fortführung des Auftragsporträts, im Grunde eine aristokratische Usance des 19. Jahrhunderts: "Im Gegensatz zum Paris Ende 1900 gab es in Wien keinen ausgeprägten Kunsthandel, die alte mäzenatische Bindung blieb, die Aufgabe des Adels übernahm das Großbürgertum", so der Autor im STANDARD-Gespräch. Die Atmosphäre dieser mit zeitgenössischer Kunst ausgestatteten Privaträume und Salons ist im Bildband anhand der aus Archiven wie aus Privatbesitz entlehnten historischen Fotografien nachzuvollziehen - ein großes Plus der Buches.

Moderne Frauen

Klimts Bild von Sonja Knips bezeichnet Natter als das erste moderne Bildnis, Bertha Zuckerkandl beschrieb es 1903 als "sublimierten Extract des modernen Frauentypus". Große Unterschiede zwischen den Sammlerstrukturen - und den Preisen für die Kunstwerke - hat Natter bei seinen drei untersuchten Künstlern festgestellt. Der secessionistisch-moderne Klimt, zuvor als Späthistorizist gefeiert, versicherte sich einer größeren, betuchteren Sammlergemeinde als Schiele. Obwohl, wie Natter betont, es "enorm kleine Gruppen" waren.

Einige Namen sind in den letzten Jahren in Zusammenhang mit der unrühmlichen Geschichte der Kunstrestitution an ehemalige Naziopfer wieder publik geworden, etwa Schieles Sammler und Zahnarzt Heinrich Rieger. Natter stellte fest: Wer Klimt sammelte, den bestverdienenden Künstler dieser Zeit, kaufte keinen Kokoschka. Der wiederum fasste am internationalen Kunstmarkt rascher Fuß, da er in Berlin ab 1910 in Herwarth und Nell Walden wichtige Förderer findet.

Was Klimt verdiente? Für ein Klimt-Porträt zahlte man um 1910 10.000 bis 12.000 Gulden, für 40.000 bekam man eine Villa am Attersee. Trotzdem hat Klimt, wie Natter schmunzelnd feststellt, sein ganzes Geld zu Lebzeiten durchgebracht. Seine besten Sammler, zu denen sich - und das gilt für alle drei beschriebenen Künstler - eine lebenslange, zuweilen krisengebeutelte Beziehung entspannte, war das Ehepaar Lederer. Von Serena Lederer ist überliefert, dass sie 1919 200 der schönsten Klimt-Zeichnungen aus dem Nachlass kaufte. Sie fuhr bei der Galerie Nebehay vor, erkundigte sich nach dem Gesamtpreis und meinte: "Schicken Sie mir alles in die Bartensteingasse." Natter spricht von einer Art "Markentreue", die Idee des Gesamtkunstwerks stand hinter dem Sammeln dieser Menschen mit zumeist jüdischen Wurzeln. Natter: "Das Sammeln war für sie identitätsstiftend, ein Zeichen liberalen Denkens."

Ein ganz anderer Sammler war Heinrich Benesch, der als Staatsbeamter wenig verdiente und immer wieder Schiele-Bilder erwarb. Er bat den Künstler, das auch noch so kleine Skizzenfragment nicht in den Ofen zu stecken, sondern für ihn aufzubewahren: "Bitte schreiben Sie auf den Ofen folgende Gleichung: ,Ofen=Benesch'", bat er den Künstler.

Avantgarde-Sammler

Ein neben dem international sammelnden Carl Reininghaus ungewöhnlicher Schiele-Sammler war Franz Hauer, der binnen kurzer Zeit, bis zu seinem frühen Tode, eine bemerkenswerte Kollektion zusammenstellte.

Von Beruf Fleischhauer, lernte er schnell und demonstrierte, wie man zum erfolgreichen Avantgarde-Sammler wird - einer der wenigen in Wien. Albin Egger-Lienz zählte zu seinen Favoriten, welcher Hauer davon abriet, solche "Modetorheiten wie Kokoschka" zu erwerben. Tat er aber trotzdem. Hauer kaufte nur junge, noch nicht etablierte Kunst.

Darin stimmte er überein mit einem weiteren Schiele-Sammler, Alfred Spitzer: "Man muss den zeitgenössischen Künstlern helfen, die alten Meister sind schon verhungert." (Doris Krumpl/DER STANDARD, Printausgabe, 18.06.2003)