Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Frauenabteilung der Stadt Wien entstand das Buch "und weiter".

Foto: Cover "und weiter" - MA 57

"Und" ist ein "kleines Wort, das sehr viel kann: unterbrechen und verbinden, stören und fordern, anknüpfen und neu beginnen", heißt es im Vorwort des kürzlich erschienenen Buches "und weiter". Das 20-jährige Bestehen der Frauenabteilung der Stadt Wien (MA 57) wurde als Anlass genommen, ein kleines Redaktionsteam zu beauftragen, um die verschiedenen Themenfelder, die für die Arbeit der MA 57 in den vergangenen 20 Jahren relevant waren, in einem Buch festzuhalten. Herausgekommen sind über 300 Seiten, gefüllt von Wissenschafterinnen, Aktivistinnen, Politikerinnen und Journalistinnen.

In den insgesamt zehn Kapitel wird nicht nur ein historischer Bogen gezogen, vielmehr geht es in "und weiter" um die Zukunft. Gerade dabei wird offenkundig, dass frauenpolitische Themen der vergangenen 20 Jahre sich mit den gegenwärtigen beinahe decken. In "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!" werden beispielsweise von Gabriele Michalitsch entpolitisierte Lebensverhältnisse und die Ambivalenz von Zwang und Freiheit in der jetzigen Arbeitswelt dargelegt. "Darfst du arbeiten? Musst du arbeiten? Willst du arbeiten? Wovon lebst du? Darfst du hier leben? Hast du freie Zeit? Was machst du, wenn du krank bist? Was machst du im Alter?" Fünf Antworten unterschiedlicher Frauen auf diese Fragen spannen den Bogen von verweigerter "Beschäftigungsbewilligung" bis "ich arbeite ohnehin die ganze Zeit, bekomme aber oft kein Geld dafür" und geben damit einen Einblick in die verschiedensten prekären Lebensverhältnisse, in denen sich junge wie ältere Frauen nach wie vor befinden.

Alte/neue Forderungen

Die Redakteurinnen - Elke Smodics-Kuscher, Nora Sternfeld und Renate Höllwart vom Büro trafo.K sowie Brigitte Geiger (Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung Stichwort) und Beate Hausbichler, Redakteurin bei dieStandard.at - wollten dabei auf klassische politisch-feministische Forderungen nicht verzichten, denn neben "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" finden sich auch Kapitelüberschriften wie "Nein heißt nein!", "Jetzt rede ich!" oder "Platz da!". So skizziert etwa die Politikwissenschafterin Birgit Sauer einen intersektionellen Gewaltbegriff, während die queer-feministische Künstlerin Katrina Daschner in einem Kommentar erklärt, wie dem "Körper Macht und Gewalt eintätowiert" sind. Neben den klassischen Forderungen finden in der Publikation auch Sprache und die mediale Repräsentation von Frauen ihren Platz.

"Wie tun?"

"Wem gehört der öffentliche Raum?" hat die Soziologin Irmtraud Voglmayr im Gespräch mit Kulturwissenschafterin Elke Gaugele und Architektin Gabu Heindl aufgeworfen. "Kann er jemandem gehören?" lautet die Gegenfrage, ehe die Frauen Plätze der Vielstimmigkeit, Plätze, die alternative Lebensformen zulassen, einfordern. Schließlich fragen die Redakteurinnen verschiedene Protagonistinnen der MA 57 "Wie tun?". Wien ist zwar in frauenpolitischer Hinsicht eine Art Avantgarde im Vergleich zu den anderen Bundesländern, dennoch braucht auch die Stadt Wien, neben dem Bund und der Europäischen Union, hinsichtlich jüngerer Entwicklungen (Finanzkrise, Männerrechtsbewegung) neue Instrumente, um ihre Forderungen mit geringen finanziellen Mitteln aufs Tapet zu bringen. Ein Spannungsverhältnis das den politischen Protagonistinnen kein unbekanntes ist und im Buch in einer Timeline festgehalten wird.

Einladung zum gemeinsamen Handeln

Dass sich die Vielstimmigkeit und oft auch die Widersprüchlichkeit feministischer Strömungen, Bewegungen und individueller Personen ein grundlegend produktives Potenzial in sich birgt, wird in "und weiter" durch die Darlegung von Kollektivität, Individualismus, Utopie und Vergangenheit sowie der unterschiedlichen Problemfelder, die heute wie damals als die Gleichen auftreten, breit und eindrucksvoll gezeigt. Das Zu-Wort-Kommen von Frauen, die sich nicht tagtäglich mit Frauenpolitik und/oder Feminismus beschäftigen vermag strukturell begründete Problemfelder auf individuelle Lebenswelten herunter zu brechen. Und "das 'und' lädt zwischen Individualismus und Organisation auch zum gemeinsamen Handeln ein. Und weiter...", wie die Redakteurinnen treffend im Vorwort ausführen. (eks, dieStandard.at, 17.4.2012)