Die Hurtigruten-Schiffe transportieren noch immer Waren. Und die Touristen bestaunen derweilen die Lofoten und die Vesteralen.

Foto: Hurtigruten

Sommerreise Bergen - Kirkenes - Bergen: elf Nächte inkl. Vollpension an Bord, inkl. Flüge Wien-Bergen-Wien mit SAS oder KLM und Transfers, Reisezeitraum 1. Juni bis 14. August 2012 beziehungsweise schon jetzt buchbar Reisezeitraum 1. Juni bis 14. September 2013. Winterreise Kirkenes-Bergen: fünf Nächte inkl. Vollpension an Bord, inkl. Flüge Wien-Kirkenes und Bergen-Wien, inkl. Übernachtung im Hotel Thon in Kirkenes, Reisezeitraum 1. Jänner bis 14. März 2013. Vorprogramm: Übernachtung im Schneehotel in Kirkenes bei Minustemperaturen im Mumienschlafsack samt Halbension und/oder Hundeschlittenfahrt. Infos in allen Ruefa Reisebüros oder bei Seetour Austria, 01/514 45 900.

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Hurtigruten

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Harstad hat, ehrlich gesagt, nicht viel zu bieten – abgesehen von der Kirche in Trondenes, der nördlichsten romanisch-gotischen der Welt. Und dann gibt es noch die Adolfskanone, die Hitler 1942 zusammen mit drei anderen als "Batterie" auf Stahlbetonfundamenten montieren ließ. Eigentlich sollten die Geschütze – die 158,7 Tonnen schwere "Schnell-Ladekanone C/34" gilt nach wie vor als die größte ihrer Art – die Zufahrten zum Erzhafen von Narvik sichern, kamen aber nie zum Einsatz. Heute dient eine, eben die Adolfskanone, als Touristenattraktion: Auf dem Werbefoto sieht man einen Buben, der lachend und winkend aus dem 21,5 Meter langen Rohr herauslugt.

Dieser lockere Umgang mit Hitlers Erbe verblüfft ein wenig. Denn was die Nationalsozialisten im besetzten Norwegen verbrochen haben, ist heftig. Beim Rückzug wandten die deutschen Truppen, an der Eroberung Stalingrads gescheitert, die Politik der verbrannten Erde an, die seit 1907 als völkerrechtswidrig geächtet wird: Im Zuge der "Operation Nordlicht" brannte die Wehrmacht im Spätherbst 1944 die Orte in der Finnmark systematisch nieder, darunter 12.000 Wohnhäuser, 150 Schulen, 20 Kirchen und 500 Industriebetriebe. Fischerboote und Pferde wurden beschlagnahmt, Brunnen vergiftet, die Haustiere geschlachtet. Und die gesamte Bevölkerung, etwa 70.000 Einwohner, sollte zwangsevakuiert werden.

Doch nur 45.000 traten den schweren Gang ins Exil an: Der Rest flüchtete trotz hoher Minustemperaturen in Verhaue und Höhlen. Um die Menschen aus ihren Verstecken zu locken, ließ man ein paar Häuser stehen, in denen man sich auf die Lauer legte. Oder man spürte die "Entflohenen" mit Bluthunden auf. Noch im Frühjahr 1945, kurz vor der Kapitulation, suchte man akribisch nach ihnen.

Wiederaufbau mit Straßenbeleuchtung

Von der malerisch in einer Bucht gelegenen Stadt Hammerfest, die auf Kvaloya, der "Insel der Qual", liegt, blieb nichts übrig – bis auf die Friedhofskapelle. Und die datiert aus 1937. Das kommunale Museum nennt sich daher, auch wenn Hammerfest eine weit längere Geschichte hat und 1891 die erste Stadt Norwegens mit elektrischer Straßenbeleuchtung war, "Wiederaufbaumuseum". Und weil es wohl die Brandschutzmaßnahmen so wollen, steht direkt neben der Vitrine mit den verkohlten Holzbalken von einst – ein nagelneuer Feuerlöscher.

Auch Kirkenes wurde dem Erdboden gleichgemacht. Vom Bergwerk blieben, wie auf Fotografien im riesigen Luftschutzbunker, der Andersgrotte, zu sehen ist, nur die Mauern der großen Halle stehen. Instandgesetzt, gibt es diesen Industriebau aus der Wende zum 20. Jahrhundert noch heute. Der Rest ist lieblos zusammengewürfelte Zweckarchitektur mit einer unförmigen Kirche inmitten. Und trotzdem: In Kirkenes an der Barentsee, wo sich die Braunbären im Rudel Gute Nacht sagen, muss man gewesen sein – um das Ende der Welt zu erfühlen. Denn das Städtchen ist ein Vorposten in Richtung Arktis und keine zehn Kilometer von der russischen Grenze entfernt.

Nach Kirkenes gelangt man mit dem Flugzeug – oder aber mit einem Hurtigruten-Schiff. Täglich legt eines um 9.45 Uhr im Hafen an, drei Stunden später nimmt es wieder Kurs auf Bergen, den Ausgangs- und Zielpunkt der insgesamt elftägigen Route entlang der zerklüfteten Küste und zwischen den fast zahllosen Inseln.

Früher war der Norden im Winter monatelang von der Zivilisation abgeschnitten. Kapitän Richard With führte ab 1882 akribisch Buch über seine Fahrten durch die Gewässer, die, dank des warmen Golfstroms, nie zufrieren. Er traute sich als Erster zu, die Strecke bis nach Hammerfest auch in der Dunkelheit zu fahren. 1891 bewarb er sich erfolgreich für eine subventionierte Dampfschifflinie – und zwei Jahre später, am 2. Juli 1893, stach die Vesteralen, benannt nach der spektakulären Inselgruppe, als erstes Hurtigruten-Schiff von Trondheim aus in See.

Nüchterne Kabinen, keine Post

Durch den Ausbau des Straßen- und Flugnetzes nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die wirtschaftliche Bedeutung der Hurtigruten ab. Sie überlebten dank Modernisierung und neuem Konzept: Die Schiffe der jüngsten Generation (ab 2003) sind eigentlich kleinere Kreuzfahrtschiffe. Sie transportieren keine Post mehr, auch wenn eine nostalgische Fahne am Heck dies verspricht, aber noch immer jede Menge Waren. Und noch immer ist die "schnelle Linie" in manchen Teilen die schnellste, weil direkte Verbindung zwischen zwei exponierten, durch Fjorde voneinander getrennten Siedlungen. Die Hurtigruten haben also weiterhin einen Zweck. Der Tourist unternimmt daher eine Seereise, ohne das schlechte Gefühl der Dekadenz haben zu müssen.

Die Fahrt unterscheidet sich grundlegend von jener mit Costa oder ähnlichen Anbietern: Es gibt keine Kurse im Serviettenfalten, keine Fressstationen, keine Galadiners, keine Shows. Die Kabinen sind nüchtern eingerichtet (ohne Fernseher), die Swimmingpool-Erlebniswelt beschränkt sich auf einen Whirlpool.

Aber das passt so. Einerseits, weil sich ansonsten kaum jemand die Reise leisten könnte. Denn Norwegen ist sauteuer: Trotz großer Erdölvorkommen kostet der Liter Benzin mehr als zwei Euro. Der Espresso an Bord kommt auf 4,80 Euro, das Glas Wein auf 10,90. Und andererseits bieten die Landschaften und das Nordlicht, auch wenn dieses Phänomen nur Phantom bleiben sollte, Programm genug. Vom Panoramasalon aus kann man gemütlich beobachten, wie das Schiff sich den Weg zwischen den Lofoten bahnt. Die Costa-Monster könnten der Küste niemals derart nahe kommen – außer sie haben einen Kapitän Schettino an Bord. Welche Folgen das hat, wissen wir aber. Und irgendwann zwischen zwei Landgängen gibt es dann doch eine Costa-ähnliche Aktion mit Aquavit und Lebertran: wenn das Schiff den Polarkreis passiert. So viel Show darf ruhig sein. (Thomas Trenkler, Rondo, DER STANDARD, 20.4.2012)