Bild nicht mehr verfügbar.

"Wir haben kein rechtes Problem in der Piratenpartei."

Foto: dpa/Fredrik Von Erichsen

Nach einem umstrittenen Blogeintrag des Berliner Chefs der deutschen Piratenpartei spitzt sich der Streit um eine rechte Gesinnung der Partei zu. Darin hatte Hartmut Semken im Streit um den Fall "Thiesen" eine rigorose Abgrenzung gegenüber Rechtsextremisten abgelehnt und seiner Partei Ausgrenzung Andersdenkender sowie eine Wahlkampfmethodik, "mit der die Nazis gerade Berlin erobert haben" vorgeworfen. Inhaltlich stellte er sich aber gegen Neonazi-Gedankengut. Der deutsche Zentralrat der Juden hat die Piratenpartei in Deutschland unterdessen aufgefordert, konsequent gegen rechtsradikale Parteimitglieder vorzugehen.

"Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat..."

Das rheinland-pfälzische Piraten-Mitglied Bodo Thiesen hatte nach Angaben der Piratenpartei den Satz geäußert: "Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte Deutschland jede Legitimation, Polen anzugreifen". Das parteiinterne Gericht begründete seine Ablehnung des Ausschlussantrags damit, dass Thiesens Äußerungen von 2008 von der Partei bereits mit einer Rüge geahndet worden seien.

Der deutsche Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht in der Auseinandersetzung um rechtsradikale Sprüche bei den Piraten einen "Testfall" für die Partei. Thierse sagte dem Berliner "Tagesspiegel" vom Freitag, die Piraten könnten nun zeigen, "ob sie die Kraft finden, Profil zu zeigen" und sich von Rechtsextremismus und Linksextremismus abzugrenzen. Gleichzeitig wurden intern Rücktrittsforderungen gegen den Berliner Piraten-Chef Semken laut.

"Rechtsradikale Einstellungen dürfen auf gar keinen Fall in einer demokratischen Partei toleriert werden"

"Rechtsradikale Einstellungen dürfen auf gar keinen Fall in einer demokratischen Partei toleriert werden", sagte der Zentralrat der Juden Dieter Graumann am Mittwoch dem "Handelsblatt Online". Auch innerhalb der Piratenpartei stieß die Entscheidung des Schiedsgerichts, Thiesen nicht auszuschließen, auf Unverständnis. Der Berliner Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer sprach sich im Magazin "Stern" für einen klaren Umgang mit Figuren vom rechten Rand aus. Die Grundregel müsse lauten: "Keinen Fußbreit den Faschisten." Außer Thiesen seien "auch andere Spinner in der Partei", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Martin Delius, der "Berliner Zeitung vom Mittwoch.

Herausforderung

"Dieser Vorgang ist ein Testfall darauf, wie inhaltsleer und unverbindlich die Piraten bleiben wollen", sagte Thierse. Gegenüber dem Berliner Tagesspiegel sagte der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz, "die Piratenpartei ist kein Auffangbecken für rechtsextreme Tendenzen" und betonte, "wir haben kein rechtes Problem in der Piratenpartei."

Der Berliner Piratenpartei-Abgeordnete Oliver Höfinghoff und zwei seiner Parteifreunde äußerten den Wunsch nach einem Führungswechsel. Semken sei "offensichtlich komplett überfordert". Durch sein Verhalten sei das Bild der Piratenpartei in Berlin stark angegriffen. Deswegen müsse ein neuer Vorsitzender der Berliner Piraten gewählt werden.

Die Piraten waren bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2011 erstmals in ein deutsches Landesparlament eingezogen. (APA/red, 20.4.2012)