Wien - Beim Kinder- und Jugendhilfegesetz steigen nun die öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger auf die Barrikaden: Die Politik müsse sich "jetzt einigen", appellierte Johannes Köhler, Leiter des Wiener Jugendamtes, am Freitag bei einer Pressekonferenz an Bund und Bundesländer. Man wolle niemandem die Schuld zuweisen, "aber wir brauchen dieses Gesetz", es sei "längst überfällig".

Das neue Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz, das den Schutz vor Gewalt und anderen Gefährdungen verbessern soll, ist fast schon eine endlose Geschichte, seit Jahren suchen die zuständigen Minister eine Einigung mit den Ländern. Denn zuständig für die Grundsatzgesetzgebung ist der Bund, die Ausführung und damit die Finanzierung ist allerdings Länderkompetenz. Und genau an der Finanzierung hakt es, was auch im erst kürzlich zu Ende gegangenen Begutachtungsverfahren wieder klar wurde. So bedeutet etwa das vorgesehene Vier-Augen-Prinzip bei der Gefährdungsabklärung Mehrkosten für die Länder, weil mehr Personal beschäftigt werden muss.

Mitterlehner appelliert an Länder

Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) appellierte am Freitag an die Bundesländer, dem neuen Gesetz zuzustimmen. "Die Länder sollen ihre Kompetenz in der Jugendwohlfahrt wahrnehmen oder abgeben", hieß es aus seinem Büro. Keine Zustimmung gibt es allerdings weiterhin aus der Steiermark, Oberösterreich und dem Burgenland. An sie gewandt erklärte das Ministerium: "Die Länder sollen nicht aus unserem Entgegenkommen eine Verpflichtung unsererseits machen."

Inhaltlich sei die Sache mit den Ländern geklärt. Auch sei der Bund nur für die Grundsatzgesetzgebung zuständig, die Länder aber für deren Umsetzung. "Wir wollen die Lage verbessern und sind daher mit der Finanzierung bis zum nächsten Finanzausgleich entgegengekommen", erklärte Mitterlehners Sprecherin. Der aktuelle Gesetzesentwurf sieht für die Jahre 2012, 2013 und 2014 vor, dass sich der Bund jährlich mit 3,9 Millionen Euro Anstoßfinanzierung beteiligt.

Jugendwohlfahrtsträger fordern Kinderschutz

Derzeit findet in Wien eine Fachtagung der öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger statt. Dazu eingeladen war auch ein Ministeriumsvertreter, und anhand dessen Aussagen habe man "mit Bestürzung" festgestellt, dass das Gesetz wieder nicht komme, so Köhler. Man dürfe nicht auf einen neuen Fall Cain oder Fall Luca warten. Wer im Endeffekt zahlt, ist den Trägern quasi egal: "Wer zahlt, ist nicht unsere Aufgabe", betonte Christine Gaschler-Andreasch, Leiterin der Jugendwohlfahrt Kärnten.

Es sei eine Tatsache, dass man mit einem Gesetz keine Garantie geben könne, dass nie mehr ein Kind zu Schaden komme, räumte die Jugendamtsleiterin der Stadt Innsbruck, Gabriele Herlitschka, ein. Die Aufgabe der Träger sei aber, Kinderschutz effektiv zu leisten. Man wünsche sich eine "moderne gesetzliche Grundlage", die die gewünschten vergleichbaren Qualitätsstandards zur Verfügung stelle. (APA, 20.4.2012)