Neues, erweitertes Büro in der Wiener City, Ausweitung des Geschäfts von Amrop Jenewein: Günther Tengel.

Foto: Amrop Jenewein/Doris Kucera

STANDARD: Die großen Themen in Organisationen sind seit einiger Zeit die neue Managergeneration mit ganz anderen Ansprüchen, daraus entstehend neue Anforderungen für Leadership, der Imperativ von mehr Diversität - wie ist der Status quo in den Führungsboards?

Günther Tengel: Leider geht es noch viel zu wenig in Richtung gemischter Boards, es hat sich weniger geändert, als man sagt. Allerdings liegt die Altersstruktur in den Boards jetzt zwischen 35 und 60 Jahren, es stoßen völlig unterschiedliche Führungsstile aufeinander.

STANDARD: Ein Gezerre?

Tengel: Ja - die Bilder von Führung und Organisation sind zwischen diesen Generationen überhaupt nicht deckungsgleich. Der traditionelle lineare Ansatz, bei dem es stark um Hierarchien, Headcounts geht, trifft auf den neuen virtuellen: Die Jungen haben einen völlig anderen Kommunikationsstil mit neuen Medien, sind mit virtuellen Berichtslinien irgendwo im Ausland groß geworden. Zusammengehalten wird das nur durch den Rahmen des Unternehmens. Es reißt und zerrt an allen Ecken und Enden. Am massivsten brechen die Konflikte in Matrix-Organisationen aus.

STANDARD: Mit welchem Ausgang?

Tengel: Die linearen Modelle verschwinden in den kommenden zehn Jahren, vor allem in klassischen Konzernen, die virtuellen prägen die Boardkultur. Derzeit befinden wir uns in einer Übergangsperiode. Es macht aber einen gewaltigen Unterschied, ob die Jüngeren von intern oder von extern kommen. Letzteres ist oft von Vorteil, weil da ein klarer Deal über Themen und Ziele mit den Eigentümern besteht, die Leute selbstbewusst und internen Netzwerken weniger verpflichtet sind.

STANDARD: Was bedeutet der Generationenwandel für das mittlere Management?

Tengel: Das wurde ja vielerorts stark ausgeräumt - oft sitzt beispielsweise der Finanzchef auch im Vorstand.

STANDARD: Gibt es dann nur mehr oben Entscheider und unten Spezialisten?

Tengel: Dieses Eliminieren des mittleren Managements ist in vielen Unternehmen zu heftig passiert, man hat eine ganze Generation zwischen 30 und 40 Jahren herausgenommen. Die fehlt jetzt, etwa für Projektvorbereitungen, für Umsetzungsfragen. Jetzt versucht man, solche Leute wieder ins Unternehmen zu holen - da herrscht große Nachfrage.

STANDARD: Woher kommen die?

Tengel: Sie sind oft nicht vorhanden. Das ist auch ein Thema der Demografie in ganz Europa. In den kommenden Jahren fehlen 40 bis 50.000 gut ausgebildete Professionals zwischen 30 und 40 Jahren. Das heißt, wir brauchen dringend zielgerichtete Migration, auch um dem Anspruch nach Diversität gerecht werden zu können - da geht es auch um Frauen im Management, aber nicht nur.

STANDARD: Eine Herausforderung für Ihre Branche ...

Tengel: Es werden die Berater erfolgreich sein, die für diese Themen Lösungen anbieten. Dazu werden sich die Berater auch ein Stück neu definieren müssen - die meisten haben auch ihre Kapazitäten nicht dort, wo Unternehmen besetzen müssen, nämlich in den Emerging Markets.

STANDARD: Ein Thema im Rahmen des oft zitierten neuen Generationenmanagements in Unternehmen ist auch die viel bejammerte mangelnde Loyalität ...

Tengel: Viele Junge haben eine kurzfristige Sichtweise - dafür fühlen sie sich auch bezahlt. Sie denken in drei bis fünf Jahren. Damit können Unternehmen nicht umgehen, Personalabteilungen stehen mit ihren langfristigen Entwicklungsprogrammen gefordert da: Lebenslanges Commitment finden sie bei den Jüngeren nicht mehr, oder zumindest nicht so, wie man es sich wünschen würde.

STANDARD: Was ist passiert?

Tengel: Zum einen ist jetzt die Erbengeneration am Ruder, zum anderen haben viele Unternehmen durch "Stop and go", durch "Hire and fire" verschreckt. In Zukunft wird wieder gesucht, was man zu wenig spürt: Loyalität, Werte, Nachhaltigkeit Nur: Das gibt es viel zu wenig. (Karin Bauer, DER STANDARD, 21./22.4.2012)