Die musizierende Kunstsportgruppe Hochobir.

Foto: Gerhard Maurer

Klagenfurt - Es gibt auf der Welt nicht nur, was wirklich da ist; es gibt auch das, was wirklich sein könnte. Zur Gleichberechtigung hat diesem Möglichen der Klagenfurter Robert Musil verholfen, der in seinem Mann ohne Eigenschaften den Möglichkeitssinn einführte: "Wer ihn besitzt, sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muss geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müsste geschehen."

Einige Jahrzehnte später und ganz in der Nähe Klagenfurts kommen der slowakischen Künstlerin Miriam Bajtala die Möglichkeiten in den Sinn. Wie 13 andere Künstler und Künstlerinnen war sie vom Universitätskulturzentrum Unikum und der Wiener Section.a eingeladen worden, die historischen Badekabinen des Kalmusbades an der Sattnitz künstlerisch zu gestalten. Kabinenschau / Moja Kabina / La Mia Cabina ist der Titel der Schau - und den Gefragten, darunter Tatiana Lecomte, Gregor Zivic, Eva Chytilek, Ruth Anderwald und Leonhard Grond, Iris Andraschek und Hubert Lobnig, kam dazu einiges in den Sinn. Die Kunstsportgruppe Hochobir machte sich aus der ihnen zugeteilten Kabine einen Jux und platzierte 4 Jacks-in-the-Box: Beim Öffnen der Kabine springen dem Besucher die Musiker entgegen, im Hintergrund läuft einer ihrer Songs.

Julia Willms verwandelte ihre Kabine mittels roter Glasscheibe und Vorhängen in eine Schaubude: einen Ort, der unentschieden zwischen innen und außen, Intimität und Voyeurismus changiert. Wer drinnen auf dem Hocker Platz nimmt, sitzt wie auf dem Präsentiertablett - und ist zugleich Beobachter der draußen Vorbeilaufenden. Gerhard Pilgram hat aus seiner Kabine einen Beichtstuhl gemacht, in welchem sich um Vergebung bitten lässt.

Sie alle haben sich für eine Bedeutungsebene entschieden; genau das verweigert Miriam Bajtala. In ihrer Kabine hört der Besucher nur ein Tonband mit der Stimme der Künstlerin. In der gut fünf Minuten dauernden Die Rede berichtete sie von ihren Überlegungen, was mit dieser Kabine anzustellen sei. Es sind mäßig originelle Ideen: Eine Hanfplantage. Ein Freudenhaus. "Zu banal, zu kompliziert, zu glatt", befindet dann auch die Künstlerin. Sie wolle Großes denken, bleibe aber an der Kleinheit der Kabine hängen.

Am Ende schafft sie Großes, weil sie diese Enge mit Offenheit, mit Möglichkeiten füllt. Ihre Arbeit ist so etwas wie die Quintessenz dieser Ausstellung, die in einer Reihe leerer, alter Kabinen begann: Sie zeigt, welche Kraft sich entfalten kann, wenn man sich nicht für ein Entweder-oder entscheiden muss. Gerade in Kärnten schadet ein solcher Hinweis nicht. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 25.4.2012)