Luxemburg/Brüssel - Die Schengen-Debatte über die allfällige Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit im eigenen Land beherrschte den EU-Innenministerrat am Donnerstag in Luxemburg. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) begrüßte den deutsch-französischen Vorschlag und wandte sich gegen ein Rütteln an der maximalen 30-Tages-Frist zur Einführung befristeter Grenzkontrollen. Der EU-Kommission gestand sie zu, eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln, um Bedrohungen im Voraus durch entsprechende Maßnahmen entgegentreten zu können.

Mikl-Leitner erklärte, es gehe in der Schengen-Debatte um zwei verschiedene Bereiche. Die anlassbezogenen Grenzkontrollen "haben wir seit Jahren, die sind 26 Mal eingeführt worden, da gibt es keine Änderung". Der Ablauf sei "ganz unbürokratisch", das betroffene Land informiere die Kommission und die anderen EU-Länder und sage, dass es anlassbezogene Grenzkontrollen gibt. "Das ist unbürokratisch, schnell und funktioniert und wurde in den letzten Jahren nie missbraucht".

Reisefreiheit "zu 1000 Prozent behalten"

Etwas anderes sei der Schengen-Mechanismus. "Es ist ganz klar, es gibt Probleme speziell bei der Außensicherung. Gerade die ist zentral für die Sicherheit Europas und seiner Staaten". Deswegen sollte die Kommission Bedrohungsszenarien entgegen treten, damit nicht Situationen wie an der griechischen Grenze entstehen können. Diese Maßnahmen seien umzusetzen und erst als letzte Möglichkeit sollten dann begrenzt Grenzkontrollen erlaubt werden. Dabei gebe es eine "unterschiedliche Diskussion" mit drei Varianten. Die erste sei, dass die Kommission gemeinsam mit den EU-Staaten entscheide, die zweite sei, dass der EU-Innenministerrat mit qualifizierter Mehrheit Beschlüsse fasse und die dritte sei, dass die EU-Staaten das allein entscheiden. Jedenfalls gehe es beim Schengen-Mechanismus keineswegs um die Reisefreiheit, "die wir zu tausend Prozent behalten wollen".

Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich wies Vorwürfe zurück, die Reisefreiheit in Europa zu gefährden. Es gehe nicht um dauerhafte Grenzkontrollen, unter gar keinen Umständen. Und es gehe auch nicht um eine Schwächung der Schengen-Vereinbarung, sondern um eine Stärkung. Sein französischer Amtskollege betonte, es gehe bei Schengen nicht nur um die Reisefreiheit, sondern auch um den Schutz der Außengrenzen.

Mikl-Leitner lehnte ebenso wie viele ihrer Kollegen eine Abgabe der Kompetenzen an die Kommission ab. Friedrich sagte zu dieser Frage: "Wir akzeptieren nicht eine Alleinzuständigkeit der EU-Kommission, weil jedes Land in Sicherheits- und innenpolitischen Fragen die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten muss. Guéant erklärte: "Dies muss den Staaten überlassen bleiben - und zwar ohne europäische Einmischung." Laut EU-Diplomaten folgt die große Mehrheit der Staaten dieser Richtung, lediglich Schweden habe Vorbehalte angemeldet.

"Schöner Erfolg"

Erfreut zeigte sich Mikl-Leitner darüber, dass die EU-Innenminister einstimmig den von Österreich und sechs weiteren Staaten initiierten Aktionsplan gegen illegale Migration angenommen haben. Bei dem 6-Punkte-Katalog geht es um die Verbesserung des EU-Außengrenzmanagements, vor allem an der griechisch-türkischen Grenze, die Stärkung der Verwaltung des Schengen-Raums mit der Möglichkeit der Einführung befristeter Grenzkontrollen, über die das betroffene Land selber entscheiden können soll. Schließlich wird in dem "Masterplan" gegen illegale Migration die konsequente Umsetzung der EU-Rückführungspolitik verlangt, ferner der Schutz der Personenfreizügigkeit in der EU vor Missbrauch durch gefälschte Dokumente oder Scheinehen, wobei die einzelnen Staaten ihre Informationen austauschen und dazu nationale Kontaktpunkte für die Dokumentationssicherheit einrichten sollten. Mikl-Leitner sprach von einem beachtlichen Paket und einem "schönen Erfolg", weil es erstmals eine genaue Auflistung der Zielsetzung konkreter Maßnahmen gebe.

Die Ministerin erklärte ferner, dass sich Österreich beim Innenrat klar gegen die jüngste Richtlinie zum Passagierdaten-Abkommen PNR ausgesprochen habe. "Das Ziel ist klar, es geht darum, Daten zur Ausschaltung der terroristischen Gefahren zu verwenden. Aber wir haben deshalb dagegen gestimmt, weil das aus datenschutzrechtlichen Gründen unverhältnismäßig ist. Vor allem die Länge der Speicherung der Daten von 30 Tagen auf zwei Jahre auszuweiten, ist bei weitem überzogen". Auch die Niederlande und Luxemburg hätten sich kritisch gezeigt, wobei die Ministerin erklärte, dass dies erst der Anfang der Diskussion sei. Der Vorschlag werde noch im EU-Parlament diskutiert und könne dort auch abgeändert werden. (APA, 26.4.2012)