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Aller Aufregung zum Trotz ist die allgemeine Reisefreiheit ohne Grenzen in der EU nicht gefährdet.

Foto: Reuters/Zivulovic

Luxemburg/Brüssel - "Wahlkampf ist eine Zeit fokussierter Unintelligenz. Da passieren halt gelegentlich Dinge, die nicht gescheit sind" - Was der Wiener Bürgermeister Michael Häupl im Jahr 2005 in einem legendär gewordenen Spruch ironisch zur Nationalratswahl festhielt, das gilt durchaus auch auf europäischer Ebene.

Quer durch die Unionsländer hatte es seit einer Woche große Schlagzeilen gegeben, dass Frankreich und Deutschland wieder das Recht haben wollten, Grenzkontrollen einzuführen zum Schutz vor illegaler Zuwanderung. So hatte es der französische Präsident Nicolas Sarkozy im Wahlkampf vor zwei Wochen sinngemäß auch angekündigt.

Sein Innenminister Claude Guéant und sein deutscher Kollege Hans-Peter Friedrich brachten sofort ein entsprechendes Papier in den EU-Rat ein, über das es am Donnerstag im EU-Innenministerrat in Luxemburg eine Aussprache gab. Ergebnis: Beschlossen wurde nichts. Der deutsch-französische Vorschlag fließt lediglich in die weiteren Beratungen der dänischen EU-Ratspräsidentschaft ein, wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im Gespräch mit dem Standard erklärte. Im Juni könnte es einen Beschluss geben.

Klar ist aber, dass es die Möglichkeit von dauerhaften Grenzkontrollen durch einzelne Staaten, wie das vielerorts behauptet wurde, auf keinen Fall geben wird: "Nein, das will niemand", bestätigt Mikl-Leitner. Es gehe darum, den Katalog an Ausnahmebestimmungen, nach denen zeitlich begrenzte Grenzkontrollen vorgenommen werden können, zu erweitern. Das geht heute schon.

Laut EU-Vertrag kann es solche für einen Zeitraum von 30 Tagen geben im Falle "einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit". Die Entscheidung darüber obliegt den Innenministern der EU-Länder. Einige Staaten, darunter auch Österreich, und die EU-Kommission wollen nun, dass dieser Ausnahmeparagraf ergänzt wird um den Fall, dass ein Land seine Grenzen nicht wirksam gegen illegale Migration schützt.

Das zielt vor allem auf Griechenland, wo pro Jahr Zehntausende illegal in die Union einreisen. Die Kommission hat vorgeschlagen, Grenzsperren für fünf Tage zu erlauben, die Genehmigung sollte auf EU-Ebene wandern. Laut Mikl-Leitner hat dieser Vorschlag aber kaum Aussicht auf Erfolg, "wenngleich die Diskussion noch offen ist".

Friedrich bläst zum Rückzug

Der deutsche Innenminister Friedrich zog verbal die Notbremse: "Unter keinen Umständen" wolle er dauerhafte Grenzkontrollen. Viel wichtiger als diese Frage sind laut Mikl-Leitner ohnehin eher die Details der geplanten Änderungen am "Schengen-Mechanismus" gemäß der Vorgabe: "Reisefreiheit nicht einschränken, aber für mehr Sicherheit sorgen."

Die Kommission soll erstmals die Möglichkeit erhalten, Lage- und Bedrohungsbilder zu erstellen, den Staaten Vorschläge zur Grenzsicherung zu machen. Nur im Worst Case sollten Kontrollen eingeführt werden, aber über solche würde wohl weiter im Ministerrat entschieden werden, sieht Mikl-Leitner voraus. Angenommen wurde ein Aktionsplan gegen illegale Migration, zum besseren Schutz der EU-Außengrenzen. (DER STANDARD, 27.4.2012)