Fürst Alois ("Louis") II Josef von und zu Liechtenstein (3000-4000 Euro), der im März 1848 der flüchtenden Familie Metternich im Schloß Feldsberg in Mähren Unterschlupf gewährte, verewigt von Moritz Michael Daffinger (16. April 1837).

Foto: Beaussant Lefèvre

Fürstin Melanie von Metternich (5000-6000 Euro), geborene Zichy-Ferraris, hier auf einem Aquarell von Moritz Michael Daffinger, um 1845, sammelte Miniaturporträts der europäischen Politprominenz.

Foto: Beaussant Lefèvre

Graf Franz Heinrich Schlick zu Bassano (6000-8000 Euro), der in der Völkerschlacht bei Leipzig sein rechtes Auge verlor und zu den populärsten Soldaten der kaiserlichen Armee gehörte: porträtiert von Franz Eybl (14. Februar 1837).

Foto: Beaussant Lefèvre

Achmet Fehti Pacha (4000-6000 Euro) residierte von 1835 bis 1837 als Botschafter der Türkei im Palais Esterhazy und veranstaltete große Feste. Er saß Daffinger im Dezember 1836 Modell.

Foto: Beaussant Lefèvre

Nun wird das Ensemble (1836–1853)  in Paris filetiert.

Zeitzeugen bezeichneten sie als leidenschaftlich und ungezogen, als arrogant und unbeherrscht. Zum Thema Benimm hatte Fürstin Melanie von Metternich eben ganz eigene Vorstellungen, vermutlich auch, weil sie als (dritte) Ehefrau des legendären Staatskanzlers so et was wie Narrenfreiheit genoss. Als sich ein französischer Botschafter bei ihrem Ehemann wegen einer taktlose Bemerkung über den Bürgerkönig Louis Philippe beschwerte, konterte der lapidar: "Ich habe sie geheiratet, nicht erzogen".

Ihrer Begeisterungsfähigkeit verdankt die europäische Geschichte wiederum ein Subkapitel, das punkto Authentizität wohl seinen Vergleich sucht: Eine Sammlung von Bildnissen jener führenden Protagonisten, die an der politischen Entwicklung im Vormärz beteiligt waren, die letztlich zur Revolution von 1848 und zum Zusammenbruch des von Metternich erstrebten Universalismus in Eu ropa führte.

Monarchen, Angehörige regierender Häuser und der Hocharistokratie, diplomatische Vertreter der europäischen Staatenwelt, Gesandte von Parma und Lucca oder vom Kurfürstentum Hessen: Sie alle ließen sich von Künstlern porträtieren und versahen die kleinen Aquarelle anschließend mit ihrer Unterschrift und einem Datum. Den Anfang machte Lord Alvanley: Im Herbst 1836 hatte der adelige Brite und Bonvivant der Fürstin sein von Moritz Michael Daffinger gemaltes Konterfei samt Autogramm überreicht. "Damit soll eine reiche Sammlung beginnen, die ich anlegen will und die mir ungeheure Freude machen wird", notierte sie am 28. November in ihr Tagebuch.

Fortan bat sie alle ihr nennenswert erscheinenden Gäste des Fürsten um Erlaubnis, deren Bildnisse in ihre Sammlung aufnehmen oder beauftragen zu dürfen: etwa Graf Franz Heinrich Schlick zu Bassano, der in der Völkerschlacht bei Leipzig sein rechtes Auge verloren hatte und zu den populärsten Soldaten der kaiser lichen Armee gehörte (Februar 1837, Franz Eybl) ebenso wie Zar Nikolaus I. (August 1838, Iwan Winberg) oder König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (August 1843, anonym). Vom pubertierenden Erzherzog Franz Joseph in Oberstjustierung des Dragoner regiments (März 1846, Daffinger) bekam sie es wiederum ungefragt.

Zum bevorzugten Porträtisten hatte die Fürstin Moritz Michael Daffinger erkoren, der bis Herbst 1847 nicht weniger als 146 solcher Autogrammminiaturen ausführte. Josef Kriehuber steuerte weitere 36 Blätter bei, den Rest Zeitgenossen Wiener oder anderer Provenienz. Am Ende füllten die rund 250 Miniaturbildnisse fünf in dunkelrotes Leder gebundene Alben, die sich bis vor kurzem im Besitz der Metternich'schen Nachfahren erhalten haben. Die von Historikern als unvergleichliches kulturgeschichtliches Quellenwerk Altösterreichs gerühmte Kollektion wird nun am 4. Mai über Beaussant Lefèvre bei Drouot in Paris filetiert.

Gesammelt, nun zerstückelt

Erbarmungslos, wie der STANDARD auf Anfrage erfahren musste: Versteigert wird Blatt für Blatt, Punktum. Offiziell beläuft sich die Summe der Taxen auf 348.900 bis 467.500 Euro, inoffiziell wiegt der Wert des Ensem bles wohl höher. Ein sonst in der Branche durchaus üblicher zusammenfassender Aufruf am En de der Auktion ist nicht vorgesehen, ungeachtet diverser Avancen musealer Institutionen, die Inter esse am Ankauf der gesamten Sammlung hätten. Gerüchteweise auch solche aus Österreich, was Roman Herzig wiederum etwas verwundert zur Kenntnis nimmt. Vor etwa einem Jahr, erzählt der Kunsthändler mit Niederlassungen in Zürich und Wien, habe er die Miniaturen in Wien offeriert. Vergeblich.

Freilich handle es sich aus kunsthistorischer Sicht punkto Qualität eher um einen gemischten Satz, aber die Erhaltung als Ensemble wollte halt nicht sein. C'est la vie. Schützenhilfe von Denkmalbehörden fällt ebenfalls aus: Seit 1906 waren die Blätter in Deutschland beheimatet - dort ist Denkmalpflege Landessache - und wurden vom zuständigen Hessischen Landesamt nie als Sammlung unter Schutz gestellt.

Die Einzelwerte der Miniaturen, erklärt Ulrike Emberger als für Ausfuhr verantwortliche Kollegin in Österreich ergänzend, liegen wiederum deutlich unter den Wertgrenzen der EU-Richtlinien.

Das Drama nimmt nun seinen Lauf, insofern als sich internationale Käufer wohl einzelne Por träts, bestenfalls gruppenweise, aus der Kollektion picken werden. Eine nennenswerte Anzahl der Aquarelle wird jedoch unverkauft bleiben. Was die impulsive Fürstin Melanie von dieser Demontage ihres Gästebuches halten würde, muss der Fantasie überlassen bleiben. Vielleicht wäre es ihr ein Trost, dass ein leidenschaftlicher Kunstsammler in 50 oder 100 Jahren in der Wiedervereinigung dieses Albums seinen Lebensinhalt finden könnte und damit diese für Historiker so bestialische, weil unbarmherzige Verwertung einer einzigartigen Kollektion wieder vergessen machen würde. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 28./29.4.2012)