Kamerateams beim Pressetermin der Polizei bei der Wiener Copa Cagrana.

Foto: flog/derstandard.at

Polizeisprecher Roman Hahslinger gab das Ergebnis des vorläufigen Obduktionsberichts bekannt.

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Die Leiche wurde von Passanten am Sonntagmorgen entdeckt.

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Wien - Der am Sonntag in der Neuen Donau in Wien tot aufgefundene ehemalige libysche Ministerpräsident und Ölminister Shukri Ghanem (Shoukri Ghanim) ist durch Ertrinken gestorben. Das gab Polizeisprecher Roman Hahslinger am Montag bekannt. Laut dem vorläufigen Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung gebe es keine Hinweise auf Fremdverschulden oder Selbstmord. Es sei kein Abschiedsbrief oder Ähnliches gefunden worden. Auch eine akute Bedrohung sei nicht vorgelegen, sagte Hahslinger.

Der Polizei habe außerdem keine Informationen über eine akute oder latente Krankheit Ghanems. Meldungen über einen Herzinfarkt hätten sich nicht bestätigt, sagte Hahslinger. Wie es zu diesem Gerücht kam, ist nicht ganz klar. Der Polizeisprecher vermutete einen "Übermittlungsfehler" durch einen mit der Familie Ghanem bekannten ausländischen Journalisten.

Fund bei der Copa Cagrana

Ein Passant hatte die Polizei am Sonntag gegen 8.40 Uhr informiert, dass vor einem griechischen Lokal bei der Copa Cagrana ein lebloser Körper in der Neuen Donau treibe. Der Leichnam lag mit dem Kopf unter Wasser. Der Mann trug Straßenkleidung.

Der 69-Jährige arbeitete laut dem Polizeisprecher als Berater einer Firma in Wien. Er habe keine Ausweise bei sich gehabt, es habe aber Hinweise auf die Firmenadresse gegeben. Die Polizei nahm daraufhin Kontakt zu der Firma auf. Ein Mitarbeiter habe Ghanem dann eindeutig identifiziert.

Die Tochter Ghanems bemerkte am Sonntag gegen 10.00 Uhr Vormittag, dass ihr Vater nicht zu Hause war. Nach Angaben der Familie hatte er den Samstagabend mit seiner Tochter verbracht. Die beiden hätten fern gesehen. Der Ablauf sei ganz normal gewesen, so Hahslinger. Nur habe der Vater erklärt, dass ihm nicht gut gewesen sei.

Die Polizei rechnet nicht vor Ende dieser Woche mit dem Ergebnis des toxikologischen Gutachtens. Dieses soll die endgültige Todesursache ergeben. Die Ermittlungen leitet das Landeskriminalamt Wien. Die Staatsanwaltschaft Wien wird entscheiden, was nach dem Ende der gerichtsmedizinischen Untersuchungen mit dem Leichnam geschieht.

Ghanem hatte jahrelang zur engsten Entourage Gaddafis gezählt, ehe er dem Regime Mitte Mai des vergangenen Jahres den Rücken kehrte. Ghanem war von März 2003 bis Mai 2006 Ministerpräsident und von März 2006 bis Mitte Mai 2011 Chef der staatlichen libyschen Öl-Gesellschaft, also Ölminister, gewesen. Bei einer Pressekonferenz in Rom klagte er im Juni des Vorjahres jedoch über die "unerträgliche Gewalt" des damaligen Regimes in Tripolis und über den Bürgerkrieg in seinem Land.

Ghanem war zuletzt in Wien wohnhaft, wie die Polizei bestätigte. Er hatte einen fixen Wohnsitz in Wien-Donaustadt neben der UNO-City, also unweit des Fundortes seiner Leiche in der Neuen Donau. Und er war mit Österreich eng verbunden: Ghanem hatte mehrere Jahre die Position des Vize-Generalsekretärs der Organisation Erdölexportierender Länder (OPEC) inne, die ihren Sitz in der Bundeshauptstadt hat.

Vor seiner Abkehr vom Gaddafi-Regime war Ghanem im Frühjahr des Vorjahres laut Medienberichten verdächtigt worden, in Österreich Milliarden-Summen für den damaligen Machthaber geparkt zu haben. Der Sprecher des österreichischen Außenministeriums, Peter Launsky-Tieffenthal, erklärte am Montag auf Anfrage, dass Ghanem "zu keinem Zeitpunkt" auf Sanktionslisten von EU und UNO gestanden sei. Der Pressesprecher der Nationalbank (OeNB), Christian Gutlederer, wollte zu damaligen Berichten über angedachte Kontensperren keinen Kommentar abgeben. Man gebe grundsätzlich keine Auskünfte "über Konten von Individualpersonen", sagte er. (APA, 30.4.2012)