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Was aus Fabriksschloten kommt, könnte in Zukunft gefragt sein: Solarreaktoren sollen Teile dieser Emissionen künftig in CO2-neutralen Treibstoff verwandeln.

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Die physikalische Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile ist hinlänglich bewiesen, und dennoch klingt diese Idee danach: Die Abgase unserer Autos werden in Zukunft zu Treibstoff. Eine Technologie, die das ermöglicht, wird in der Tat Respekt einflößen. Auf ein energetisches Nullsummenspiel kann sie - so wie es die Naturwissenschaften lehren - freilich nie hinauslaufen. Die Energie, die in diesen geschlossenen Kreislauf hineingesteckt werden muss, soll aber von der Sonne kommen.

Seit rund einem Monat beschäftigt sich ein Christian-Doppler-Labor (CD-Labor) mit diesem Konzept. Seine Inspiration bekommt es von den Prozessen der pflanzlichen Fotosynthese. Dabei werden bekanntermaßen energiearme, anorganische Stoffe, also hauptsächlich Kohlenstoffdioxid und Wasser, in energiereiche organische Verbindungen verwandelt. Was läge demnach näher, als auch die CO2-Emissionen, die wir verursachen, auf ähnliche Weise in speicher- und damit gut nutzbare Energie zu verwandeln.

Das Zwischenprodukt, das diesen Kreislauf ermöglicht, ist Synthesegas - eine Gasmischung bestehend aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Es gilt als wichtiger Rohstoff für die petrochemische Industrie und ist eine Vorstufe für flüssige Treibstoffe. Mit dem sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren wird es bereits jetzt wirtschaftlich sinnvoll in Diesel, Benzin oder Kerosin umgewandelt.

Erneuerbares Synthesegas

Ökologisch sinnvoll ist der Prozess aber nur dann, wenn Synthesegas eben nicht wie bisher aus fossilen Brennstoffen, sondern aus CO2 und Wasser gewonnen wird. Diese Umwandlung kann mit isolierten Enzymen als Katalysatoren geschehen, aber industriell lassen sich diese nur schwer nutzen: Ihre Isolierung ist teuer, und Enzyme reagieren zu empfindlich auf Luftsauerstoff. Künftig müssten sie daher durch synthetische Katalysatoren ersetzt werden, soll erneuerbares Syngas in großem Stil gewonnen werden.

"Die wissenschaftliche Herausforderung liegt also ganz klar im Bereich der Katalyse", erklärt der Chemiker Erwin Reisner, der seit eineinhalb Jahren an der Universität Cambridge lehrt und forscht. Das CD-Labor für " Erneuerbare Synthesegas Chemie" hat er dorthin gebracht (siehe Wissen). Für die Herstellung der Katalysatoren zieht Reisner Metalle wie Eisen, Nickel oder Kobalt in Betracht. Sie hätten den Vorteil, ihre Aufgabe robust und günstig zu verrichten. Die Außergewöhnlichkeit des geplanten Verfahrens zur Synthesegasgewinnung liegt aber auch im Umstand, wie dem Kreislauf Energie zugeführt wird. Die Katalysatoren sollen in Nanomaterialien eingebunden werden, die schon in der Fotovoltaik Anwendung finden. Auf diese Weise soll CO2 direkt aus der Umgebungsluft gewonnen und mit Sonnenenergie zu Synthesegas gemacht werden.

Dadurch ergäbe sich künftig die Möglichkeit, aus dem Sonnenlicht nicht nur elektrischen Strom, sondern letztlich auch flüssige Treibstoffe zu gewinnen. Durch die Verbrennung solcher Treibstoffe gelangt freilich wieder CO2 in die Umgebungsluft. Allerdings gäbe es dann endlich Verwendung für diese Emissionen, und der Kreislauf wäre geschlossen.

Wettlauf zum Solarreaktor

Aufmerksame Leser der Zeitschrift Science werden wissen, dass das CD-Labor nicht alleine an dieser bahnbrechenden Lösung arbeitet. Gemeinsam mit kalifornischen Wissenschaftern haben Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich im Dezember 2010 Synthesegas aus CO2 und Wasser produziert und dies publiziert. Reisner erklärt den wesentlichen Unterschied: "Dabei handelt es sich um ein thermisches Verfahren, welches Temperaturen bis zu 1500° Celsius benötigt. Wir arbeiten an einem fotokatalytischen Verfahren, welches bei Raumtemperatur und normaler Sonneneinstrahlung funktioniert." Das soll eben durch die Einbindung chemischer Katalysatoren in halbleitende Materialien möglich werden, und den Wirkungsgrad deutlich erhöhen.

Treibstoff aus jedem Schlot

Bis 2019 will das Doppler-Labor seinen ersten kleinen Demonstrationsreaktor entwickelt haben. Langfristig sind viele Anwendungen möglich: vom Auto, das sich den Sprit über Abgase selbst erzeugt, bis hin zu solaren Synthesegasanlagen in der Nähe von Fabriksschloten. Zudem erschöpft sich die gesamte wirtschaftliche Tragweite bei weitem nicht nur in der Verwertung als Flüssigtreibstoff. Die Pharma-, Agrar- und Kunststoffindustrie ist von diesem Rohstoff ebenso abhängig und muss den Einsatz von fossilen Energieträgern reduzieren.

Klar ist: Aktuell werden zwei Drittel des globalen Energiebedarfs über Brennstoffe und nur ein Drittel über Strom gedeckt. Weiterhin - zumindest CO2-neutrale - Treibstoffe verwenden zu können wäre hilfreich. Zumal diese dann auch über eine bestehende Infrastruktur verteilt werden und die Energiewirtschaft unabhängiger von Erdöl oder Kohle machen. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, 02.05.2012)

=> Wissen: Labor-Export nach Cambridge

Wissen: Labor-Export nach Cambridge

Die Christian-Doppler-Labors sind seit über 20 Jahren wichtiger Bestandteil der heimischen Forschung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft. Es ist aber nicht alltäglich, dass eine dieser Einrichtungen den operativen Sitz an der renommierten Universität von Cambridge hat.

Das CD-Labor für "Erneuerbare Synthesegas-Chemie" erfüllt dennoch die üblichen Kriterien der Satzung: Voraussetzung für die Gründung ist, dass eine Forschungsfrage gemeinsam von Wissenschaftern und einem Unternehmen - in diesem Fall der OMV - formuliert wird. Die Labors können dabei auch an ausländischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingerichtet werden. Unter gewissen Bedingungen ist sogar der Kooperationspartner ein ausländisches Unternehmen. Die Laufzeit beträgt im Regelfall sieben Jahre, wie es beim CD-Labor in Cambridge der Fall ist. Es existiert seit 1. April 2012 und wird vom Wirtschaftsministerium unterstützt. (saum)