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Cate Blanchett gastiert in Botho Strauß' "Groß und klein" ab 12. Mai bei den Wiener Festwochen.

Foto: REUTERS/Daniel Munoz

Wie viel Leben hält man eigentlich aus, ohne dass die Tränensäcke zu sinken beginnen? Diese Frage wurde neulich wieder einmal öffentlich erörtert, als die australische Schauspielerin Cate Blanchett sich für eine Titelgeschichte des Magazins "Intelligent Life" fotografieren ließ. Üblicherweise werden Stars für so ein Bild gründlich "überarbeitet", da werden Falten mit der Maus geglättet, Hautunreinheiten digital entfernt, und der Teint aufgemöbelt. Doch in diesem Fall wurde nichts gemacht. Cate Blanchett ließ sich auf dem Cover sehen, wie sie tatsächlich aussieht: eine auffällige Erscheinung ist sie sowieso, aber wenn man genau hinsieht, dann ist auch zu bemerken, dass auch hier die Zeit und das Leben ihre Spuren hinterlassen haben.

Wie denn auch anders, bei einer Frau von 42 Jahren, die ein Theater leitet, als Schauspielerin arbeitet und zudem drei Kinder im Alter zwischen zehn und drei Jahren hat? Die in Australien lebt, oft in Hollywood zu tun hat und zwischendurch auf Bühnentournee geht? Mit ihrer Produktion von Botho Strauß' "Groß und klein" hat sie zuletzt in London gastiert, nun kommt sie auch nach Wien.

Für die Glücklichen, die eine Karte haben, ist dies eine rare Gelegenheit, eine der interessantesten Schauspielerinnen des gegenwärtigen Weltkinos aus der Nähe zu sehen. Sie wird in diesem Stück einmal mehr einen Beweis ihrer großen Wandlungsfähigkeit geben, mit einer Figur, die es ihr nicht leicht macht in ihrer Verlorenheit, und in einem Stück, das in seiner episodischen Struktur umso mehr von der Hauptdarstellerin verlangt.

Diese Lotte, die Cate Blanchett spielt, hat etwas von einer seltsamen Heiligen. Sie verhält sich anstößig, und im Grunde ist auch die Produktion dieses bald 25 Jahre alten Stücks eine Provokation. Denn dass man sich deutsche Innerlichkeit von einem australischen Theaterprojekt erschließen lässt, dass müsste dem zurückgezogen lebenden Autor Botho Strauß doch eigentlich deutlich zu globalisiert vorkommen. Doch gerade das macht die Sache so reizvoll: dass hier ein Star mit weltweiter Strahlkraft sich auf ein Stück einlässt, das eigentlich nur noch die Experten kennen.

Die Sache hätte sich nie so ergeben, hätte Cate Blanchett nicht Mitte der Neunzigerjahre den Mann kennengelernt, mit dem sie jetzt die Sydney Theater Company leitet und das Leben teilt: Andrew Upton ist der Impresario hinter "Groß und klein". Mit ihm gemeinsam hat sie es geschafft, einen riesigen Bühnenbetrieb am Laufen zu halten, mit dem sie so viel Geld zu verdienen versuchen, dass sich auch gelegentlich ein Stück in der Sprache der Aborigines ausgeht.

Hauptrollen im Theater

Bloodland wurde ein Erfolg, aber es war eine Herausforderung für das Abonnentenpublikum, auf das die Sydney Theater Company nun einmal angewiesen ist. In den großen Hits des Hauses hat Cate Blanchett zumeist die Hauptrolle gespielt, etwa in "Hedda Gabler, Onkel Wanja" oder in einer Inszenierung von "Endstation Sehnsucht" durch Liv Ullman. 2007 übersiedelte sie aus London zurück nach Australien, das Land, in dem sie geboren wurde und in dem sie mit einer Theaterrolle erstmals so richtig auffiel: Neben Geoffrey Rush, der inzwischen auch international bekannt ist (seit "Shine"), spielte sie in einer Produktion von David Mamets "Oleanna", in dem alle Fallen der politischen Korrektheit schonungslos durchgearbeitet werden.

Das ist die Sorte Stück, von der Schauspieler sich gern herausfordern lassen - ein abgründiges Duell der Täuschungen, für das Blanchett von den Kritikern gepriesen und schließlich auch als beste Debütantin in einer Hauptrolle ausgezeichnet wurde. Erste Filmangebote folgten bald, und 1997 wurde sie für die Rolle entdeckt, mit der ihr Weltruhm begann: In Elizabeth spielte sie die englische Königin, die im 16. Jahrhundert in jungen Jahren an die Herrschaft kommt und sich mit diesem Amt erst einmal zurechtfinden muss.

Auf dem Plakat zu "Elizabeth" ist Cate Blanchett alles andere als unbearbeitet zu sehen, aber dieses bleiche Gesicht, das auch in einen Horrorfilm passen würde, prägte nachhaltig ihr Image. Dazu kommt diese rauchige Stimme und eine ambivalente Geschlechteridentität, die sich einige Jahre später Todd Haynes zunutze machte, der sie in seinem Film "I'm Not There" Bob Dylan spielen ließ. Sie legte so überzeugend die schwierigen, abweisenden, arroganten Seiten des Folkidols frei, dass sie in dem Episodenfilm aus dem Ensemble mit zahlreichen weiteren Stars deutlich herausragte. Ähnlich "männlich" trat sie auf, als sie in Martin Scorseses "The Aviator" Katherine Hepburn spielte und damit an die Ära der großen Hollywood-Diven erinnerte.

Der Glamour, der damals zu der Inszenierung auch der privaten Erscheinung gehörte, ist heute nicht mehr ungebrochen reproduzierbar. Stars geben sich leutselig, sie tun so, als würden sie am liebsten auch so leben wie jedermann und jede frau. Bei Cate Blanchett ist das leichter nachzuvollziehen, denn sie stammt aus einer Gesellschaft, in der es wenig Klassenbewusstsein gibt.

Australien ist ein Land mit kurzer Geschichte und ohne jahrhundertealten Adel, und so hat auch das Theater dort eine dezidiert demokratische Tradition. In den ersten Jahren machten Upton und Blanchett mit ihrer Company noch Verluste, inzwischen ist es ihnen gelungen, das Ruder herumzureißen, und so wurde auch ihr Vertrag bis 2013 verlängert. Die internationalen Kontakte waren dabei sicher eine große Hilfe, neben Liv Ullmann haben auch schon Steven Soderbergh und Philip Seymour Hoffmann in Sydney inszeniert.

Was dabei in den letzten Jahren neben Theater und Familie unweigerlich zu kurz kam, sind die Filmrollen. Cate Blanchett hat weniger gedreht und kleinere Rolle angenommen. Um eine Verpflichtung kam sie jedoch nicht herum: Für "Der Hobbit" schlüpfte sie noch einmal in Kostüm und Maske der Elbenkönigin Galadriel. Auch diese ätherische Erscheinung passte ganz hervorragend zu ihrem Typ und prägte ihn zugleich noch weiter aus.

Eine Begleiterscheinung ihres höchst aktiven Lebens hat sie inzwischen auch zu einem politischen Anliegen gemacht: Sie muss notgedrungen viel fliegen und trägt damit zur Erderwärmung bei. Dagegen engagiert Blanchett sich auf vielfältige Weise, so ist sie zum Beispiel in einem Fernsehspot aufgetreten, der für eine Steuer auf Kohle wirbt. Der "grüne" Umbau des Theaters hat ihnen auch Kritik eingebracht - einzelne Vertreter der Presse sahen schon Öko-Yuppies am Werk, und Cate Blanchett als das bekannteste Gesicht der Sydney Theater Company wurde namentlich der Heuchelei geziehen.

Blanchett eine Heuchlerin?

Dabei ist sie mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement nicht widersprüchlicher als andere Weltstars auch, die mit ihren guten Werken eben häufig einen großen Aufwand betreiben. Und von dem Tamtam, den eine Angelina Jolie betreibt, ist Blanchett weit entfernt. Man nimmt es ihr ab, wenn sie den Eindruck vermittelt, bei all den Möglichkeiten, die sich ihr bieten, einfach sie selbst bleiben zu wollen. Das gilt auch auf der äußerlichen Ebene, in allen Fragen des Kosmetischen. So äußerte sie sich kürzlich zum Thema möglicher Schönheitsoperationen und wies den Gedanken für sich selbst zurück: Sie habe Angst vor Botox, sagte sie. Die Tränensäcke halten auch so, das Leben gibt Cate Blanchett einfach wenig Grund, sie hängen zu lassen. (Bert Rebhandl, Rondo, DER STANDARD, 4.5.2012)