Männlicher Wasserläufer (unten) mit speziellen Fortsätzen (violett eingefärbt), um das Weibchen (oben) zu packen.

Illustration: AAAS/Science

Washington/Wien - Vor ein paar Jahren noch fanden Forscher das Geschlechtsleben der Wasserläufer noch ziemlich romantisch. Die Insektenkundler gingen davon aus, dass die männlichen Tiere die Wasseroberfläche zum Vibrieren bringen, um Weibchen zu vermitteln, dass sie Sex haben wollen.

Diese Geste wurde ursprünglich als eine Art Vorspiel gedeutet, um die Weibchen locker zu machen, die nämlich eine Art Keuschheitsgürtel tragen. Doch vor zwei Jahren zeigten Experimente dann die Perfidie dieses Verhaltens: Die Wellen, die durch die Vibrationen der Männchen ausgelöst werden, locken nämlich Fische an. Die Männchen machen mit dem lebensgefährlichen Verhalten so lange weiter, bis Weibchen aus Angst und Panik zur Paarung einwilligen - vor allem die Überlebenden von Fischattacken.

Doch damit nicht genug der männlichen Wasserläufertücke: Kanadische Forscher entdeckten nun eine weiteres fieses Instrument der Männchen, um sich zögerliche Weibchen gefügig zu machen. Dazu werteten sie Filme aus, die mit Hochgeschwindigkeitskameras aufgenommen wurden und das blitzschnelle Liebesspiel der Insekten in einem noch einmal neuen Licht erscheinen ließen.

Die Männchen können nämlich mit speziellen hakenartigen Fortsätzen an ihren Antennen widerspenstige Weibchen packen, um ihre "Partnerinnen" zu fixieren.

Uraltes Gen

Doch das war nicht die einzige neue Entdeckung, über die Abderrahman Khila und Kollegen in der Wissenschaftszeitschrift Science berichten: Sie fanden außerdem heraus, dass bei den Wasserläufern ein uraltes Gen namens Distal-less zur Produktion dieser speziellen Widerhaken umfunktioniert wurde.

Dass Besitzer dieses Gens und der Widerhaken einen entscheidenden Selektionsvorteil haben, wurde in einem weiteren Experiment der Studie bestätigt. Die Wissenschafter produzierten mittels sogenannter RNA-Interferenz nämlich Männchen, bei denen das Gen abgeschaltet und die Antennenzusätze nicht ausgeprägt waren. Das Ergebnis war eindeutig: Männchen ohne spezielle Antennenfortsätze hatten eindeutig weniger Sex und Nachwuchs. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 4.5.2012)