Von seinen Reisen weiß der Weltenbummler Christoph Brändle viele Geschichten zu erzählen, die der seit 25 Jahren in Wien lebende Schweizer Schriftsteller abseits gewöhnlicher Tourismusorte findet. Die südlichen Länder Afrikas hinterließen einen starken Eindruck. Dorthin, nach Harare, in die Hauptstadt von Simbabwe, verlegt Brändle das Eingangssetting seines neuen, skurrilen Tagebuch-Romans Onans Kirchen und lässt Parsifal, den erfolgreichen, zum "Regionaldirektor Südliches Afrika" beförderten Manager eines Weltkonzerns, am Flughafen ankommen.

Der alttestamentarische Prophet Onan sowie Richard Wagners Parsifal bilden den Charakter von Brändles Helden, einem 40-jährigen Lebemann, der sich über Arbeit und Erfolg definiert und seine Zielstrebigkeit ebenso nachdrücklich bei Frauen einsetzt. Seite um Seite lernt er neue Frauen kennen. "Weil Frauen wie Instrumente sind, weiß man erst, wie sie klingen, wenn man sie spielt."

Doch seine Minnedienste erfüllen sich nicht in gewünschter Form, das rein Sexuelle verwandelt sich in die Sehnsucht nach ehrlicher Liebe. Midlife-Crisis? Vielleicht auch, aber so unoriginell ist Brändle nicht und gestaltet das Ich vielschichtig.

"Parsifal" steht Pate für das Suchende, Onan, der Widersacher Gottes, stellt ihm das Visionäre, das Traditionen-Verweigernde zur Seite. Der Titel des Buches klärt sich zwar, wirkt aber seltsam bemüht. Wie ein Manager aussehen kann, der sich und seine Arbeit hinterfragt, zeigt Brändle in ironischer Überspitzung und gelungener Komik.

Die Geschäfte der Firma in Simbabwe laufen dank des fleißigen einheimischen Assistenten Munashe reibungslos. Parsifal hat fast nichts zu tun; seine Arbeitskraft ist plötzlich überflüssig. Angewidert vom Rassismus im postkolonialistischen Herrschaftsdenken der dortigen Weißen, begibt er sich ins Landesinnere. Aus einem Kurztrip wird eine mehrjährige Gralssuche. Zunächst auf steter Lauer nach neuen Eindrücken, verfällt er am Karibasee der Süße des Müßiggangs und baut sich allmählich eine eigene Gedankenwelt auf. In der Wüste, dem Ort des Rückzugs und der biblischen Erkenntnis, sieht er sich als Hoffnungsträger für einen neuen Menschen, der, Onan ähnlich, die scheinbar in Stein gemeißelte Gottesmacht der Konzerne entlarvt.

Wenn sich der Opernliebhaber am Ende tatsächlich in Bayreuth wiederfindet - "Die Verwandlung meiner Existenz war gewaltig, ein Schicksal von wagnerianischer Dimension" -, hat sich auch seine Sprache im Tagebuch verändert. Der lockere, flapsige Stil ändert sich gemäß der inneren Wandlung in einen ernsteren, aber nie schwermütigen Ton.

Die Tagebuchform für den Entwicklungsroman, opernhaft in drei Aufzüge eingeteilt, ist geschickt gewählt und erlaubt dem Utopisten Parsifal, sich zu widersprechen, assoziativ zu kommentieren, sich ins Wort zu fallen. Es lohnt sich, mit Brändle nach Afrika zu reisen, wo "so viel Welt ist". (Sebastian Gilli, Album, DER STANDARD, 5.5./6.5.2012)