Die Ministerin nahm viel Schwung, um gegen die Wand zu rennen. Nicht streng genug konnten die Regeln sein, die Maria Fekter Budgetsündern vor einem Monat aufzwingen wollte. Doch heute jubilieren jene, denen die Fesseln gegolten haben: Strafen sind abgeschwächt, Hintertüren eingebaut. Wenn Bund und Länder am Mittwoch den Stabilitätspakt fixieren, muss sich die eiserne Finanzministerin als bieg- und beugsam erweisen.

Der Umfaller war vorhersehbar. Fekter, selbst ein mehrfach gebranntes Kind, scheitert nicht als erstes Regierungsmitglied an Vetos der Länder. Genauso erging es ihrem Vorgänger Josef Pröll, Bildungsministerin Claudia Schmied und unzähligen großkoalitionären Politikern zuvor.

Warum gehen Bundespolitiker vor Landesgrößen in die Knie? Mit "Mutlosigkeit" und anderen oft beklagten Charakterschwächen hat der Hang zum Einknicken höchstens am Rande zu tun. Wenn die Regierungsspitzen - wie Parteianhänger und Kommentatoren gerne fordern - einfach nur "kräftig auf den Tisch hauen" müssten, um die Länder zu disziplinieren, würden sich selbst zögerliche Gemüter wie Werner Faymann und Michael Spindelegger dazu durchringen. Doch beide wissen, dass der Traum vom harten Durchgreifen an der politischen Realität zerbricht.

Unangefochtene Chefs ihrer Parteien sind Faymann und Spindelegger nur auf dem Papier. Das Gros der Abgeordneten im Nationalrat wird auf regionaler Ebene nominiert, vor allem die VP-Bundespartei hängt finanziell am Tropf der Landesorganisationen. Diese Konstellation macht erpressbar. Offen hatten Oberösterreichs Schwarze gedroht, die "eigenen" Parlamentarier gegen das Budget stimmen zu lassen, wenn die Regierung nicht das Geld für die Linzer Westring-Umfahrung lockermache; bei anderer Gelegenheit stellten die Niederösterreicher kurzerhand ihre Beitragszahlungen ein. Auch stille Obstruktion zählt zum Repertoire: Legen sich Parteikader vor Ort nicht ins Zeug, lahmt jeder Wahlkampf eines Bundeskandidaten.

Um da Druck auszuüben, braucht es Kampagnenfähigkeit. Die Koalition benötigt eine überzeugende Agenda, die sie ge- und entschlossen bewirbt - je stärker der öffentliche Rückenwind, desto schwerer werden sich Länder beim Widerstand tun. In Ansätzen ist dieses Kunststück beim Sparpaket gelungen, doch in Summe fehlen der Regierung Einigkeit und Strahlkraft. Immer wieder fielen Koalitionäre bei föderalen Streitigkeiten, etwa um die Lehrer, einander in den Rücken - und Faymann und Spindelegger wirken nicht gerade wie zwei Siegertypen, in deren Licht sich Regionalpolitiker sonnen wollen.

In ihrer Abhängigkeit bleibt der Koalition nichts anderes übrig, als sich weiter mit zähem Interessenabtausch und unbefriedigenden Kompromissen abzufinden. Dass die Politik der mühseligen Schritte auch zu Erfolgen führen kann, zeigt die anlaufende Gesundheitsreform. Rhetorische Kraftmeierei hingegen bringt kurzfristige Schlagzeilen, aber als Spätfolge garantierte Demütigung. (Gerald John, DER STANDARD, 6.5.2012)