Aber das Leben Lebt: The Aesthetics Of The Seventies (Trost)

Foto: Trost
"I was afraid that the true deepness of my love would intimidate her. I was afraid, I was tied." Diese als Refrain ausgesprochene Befürchtung im Eröffnungslied No Wise Man Then kann man als den poppigen Höhepunkt von The Aesthetics Of The Seventies bezeichnen, dem vierten Album von Aber Das Leben Lebt: Zu einer dünnen Orgel, einer leicht verfremdeten Stimme und dem vergleichsweise lebensbejahenden Organ von Jasmin Gründling weist es einer Stimmungslage den Weg, in der mit dem plötzlich eintretenden Ablaufdatum der eigenen Existenz eher gerechnet wird als mit dem Erreichen des Lichts am Ende des Tunnels. Zweifel als Lebenssaft. Die Niederlage als Herzschlag. Eine Band wie der feuchte Novembernebel über dem Zentralfriedhof. Das Trio Aber das Leben Lebt dehnt seine Songs zu schmerzhaften Elegien über die großen kleinen Daseinsfragen. Ob das wem gefällt, scheint den Herrschaften dabei egal zu sein. Mit richtigem Schmerz ist immer noch kein Geld zu verdienen. Ein nahezu radikaler Ansatz in einem gefallsüchtigen Genre wie Pop, das man ohnehin nur an der äußersten Peripherie berührt. Viel lieber aalt und windet man sich in den langen Schatten einer vergangenen Avantgarde. Die im Albumtitel angesprochene Ästhetik der 70er-Jahre meint hier vor allem John Cale in seiner Zeit nach Velvet Underground, meint frühe Soloalben wie Paris 1919 , Church Of Anthrax oder Fear . Sogar die Stimmen bewegen sich karaokegefährlich nahe am Timbre des Walisers. Stellenweise. Denn Gesang verdeutlicht nur die Kläglichkeit des Lebens. Ein Umstand, der schonungslos präsentiert wird. Die Kirchenorgel ächzt schmerzhaft und eine Stimme singt: "I left town, I left countries. I threw myself away just to see where my sperm would land naturally. Tonight I'm gonna sleep with my knees to my face. Unknown to this fatherhood of place." Hier bettet sich jemand auf Stein. (flu/RONDO, DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2003)