Hier gibt es eine Ansichtssache.

Foto: ham/derStandard.at

Anreise: Der Nordring in Fuglau im Waldviertel ist über Horn oder Zwettl erreichbar.
Veranstalter: Jollydays.at bietet ein weites Repertoire an ausgefallenen Möglichkeiten für Erlebnisurlaube in allen Kategorien von Wellness über Romantik bis hin zu Abenteuern wie Rallyefahren und Fallschirmspringen. NoLimits aus Micheldorf in Oberösterreich ist für die Rallyefahrten verantwortlich, liefert das Wissen, die Autos und die Rallyesportprofis.

Das Package "Rallye fahren" (Dauer ca. 4 Stunden) kostet 310 Euro und wird im Waldviertel und am Erzberg angeboten.
Das Package "Rallye 1x1-Training" (Dauer ca. 1,5 Stunden) kostet 159,90 Euro und wird im Waldviertel, am Erzberg und in Thomatal (Salzburg) angeboten.

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"Halt! Stopp! Nein!" Die Bremsen greifen, es staubt - dann steht der Wagen. Durch die Frontscheibe schauen zwei Peugeot-205-GTI-Scheinwerfer ins Fahrzeuginnere. Der Motor stirbt ab. Kurzes Schweigen. Zum Glück hat Instruktor Heinz Andlinger einen ruhigen Charakter und sehr gute Nerven: "Das war der falsche Weg. Wir müssen rechts abbiegen." Eine kleine Schweißperle glitzert auf seiner linken Schläfe. Nach drei Stunden Rallye-Training sind die Teilnehmer bereits mit genügend Selbstbewusstsein ausgestattet, um die eine oder andere Kurve im Drift zu nehmen, das Gas durchzutreten - oder vor lauter Begeisterung die vielen orangen Hütchen auf der Strecke zu verwechseln und auf Frontalkurs mit einem entgegenkommenden Wagen zu gehen. Aber es ist nichts passiert, Fahrer und Bremsen haben reagiert. Also weiter.

Sei acht Uhr fahren die Peugeots von NoLimits am Nordring im Waldviertel im Kreis. 16 Teilnehmer - darunter eine Frau - üben auf der Rallyestrecke, was die Profis im Schlaf beherrschen. Hier in Fuglau in der Nähe von Zwettl lernen Laien, was es mit dem "Linksbremsen" oder dem "Lastwechsel" auf sich hat und welche Auswirkungen diese Techniken auf die Autos haben. In Theorie und Praxis können hier Führerscheinbesitzer ab 18 Jahren an echten Rallyeautos ausprobieren, wie es sich anfühlt, über die Rennstrecke zu "heizen".

Der Spaß ist sicher

"Wir sind alle keine hauptberuflichen Rallyefahrer. Aber jeder von uns hat aktive Rallye-Erfahrung", stellt Andlinger das sechsköpfige Instruktoren-Team vor. Oberste Priorität hat die Sicherheit. Darum werden als Erstes an alle Teilnehmer Sturmhauben, Helme und Overalls verteilt. Die Autos sind allesamt mit Überrollkäfigen und Rallyegurten ausgestattet. Die Übungsstrecke am Nordring ist abwechslungsreich und durchaus anspruchsvoll, aber ohne lebensgefährliche Bäume, abschüssige Böschungen oder Felsen. Inmitten blühender Felder und Bäume liegt die Piste aus Schotter, Erde und Asphalt. Nachdem sich alle Teilnehmer in Rennfahrerwäsche gekleidet haben, schaut der Trupp lernwilliger Rallyeschüler fast schon wie ein professionelles Rennteam aus.

Bevor es losgeht, werden die Fahrschüler in die Wagen gezurrt. Die Gurte sitzen straff, die Instruktoren helfen beim Anlegen, mit dem Helm auf dem Kopf sieht man nicht einmal seine eigenen Knie in dem engen Auto. Vorne schlägt man sich die Stirn am Überrollkäfig an - zum Glück schützt der Helm vor Beulen. Der Motor springt etwas unwillig an und dröhnt in der Fahrgastzelle, die ganz ohne Polster und Teppiche einen perfekten Resonanzkörper abgibt. Der Ganghebel zittert nervös in der geriffelten Bodenplatte.

Rasante Beherrschung

Die ersten zaghaften Versuche, die Strecke zu bewältigen, erinnern eher an einen L17-Ersttagsausflug als an die rasanten Fahrten auf einer Rallye-Rennstrecke. "Das wird sich ändern. In vier Stunden wird man den Unterschied deutlich erkennen", verspricht Andlinger. In den Autos wird es sehr schnell sehr warm, Helm und Overall tun das ihre, und nach den ersten drei Runden ist man schweißgebadet. Und das im Waldviertel im Frühling! Bewegungen sind in den Schalensitzen mit den festgezurrten Gurten kaum möglich. Lenken. Schalten. Kuppeln. Bremsen. Gas geben. Damit ist das Repertoire erschöpft.

Einige Teilnehmer werfen sich schon in den ersten drei Runden mit gezogener Handbremse in die Kurve, lassen Steine und Staub wirbeln und driften mit quietschenden Reifen über den Asphalt. Die Motoren klingen so, wie man sich das vom Rallyesport erwartet: laut, blechern und aggressiv. Andere tasten sich vorsichtig an Autos und Strecke heran. Jeder kann für sich herausfinden, bis zu welcher Geschwindigkeit er den Wagen noch beherrscht und wie weit er gehen will.

Auch Andlinger zeigt, was er kann, und jagt einen blauen Peugeot über den Ring. Die Reifen quietschen hysterisch in den Kurven, es staubt und raucht, das Auto gleitet in Schräglage über den Asphalt, der Motor jault, Steine wirbeln durch die Luft. Andlingers Fahrtechik ist für den gemeinen Alltagsfahrer ernüchternd. Es scheint unmöglich, die Füße in dem Tempo über die Pedale fliegen zu lassen, zur gleichen Zeit die Straße im Auge zu behalten, zu lenken und zu schalten. Und es stachelt den Ehrgeiz an, es ebenso zu machen. Mit teilweise fatalen Folgen. Die Autos der Rallyeschüler tanzen Ballett, drehen sich, kreiseln und rutschen. All das tut dem Spaß aber keinen Abbruch. Starten. Gang rein. Und mit Vollgas weiter über die Strecke. Beim dritten Gang ist Schluss, die nächste Kurve kündigt sich an.

Mut zum Risiko

Aber auch die Profis sind vor Pannen nicht gefeit, und Andlingers Ausfahrt mit dem blauen Wagen endet mit einem qualmenden Motor, der in Öl gebadet ist. "Dem hat's den Ölstab herausgedrückt", lautet die Diagnose der Instruktoren, die zum Großteil auch automechanisch versiert sind. "Wir bauen die Autos, allesamt Peugeot 205 GTIs, zum Großteil selber um. Die Innenausstattung wird herausgenommen, dann kommen Schalensitze und der Überrollkäfig hinein", erklärt Andlinger. Und Reparaturen fallen ohnehin ständig an, wenn Autos aus den Kurven rutschen und durch die Wiese pflügen, wenn der Unterboden Bekanntschaft mit Steinbrocken macht oder ein Wagen krachend über eine höhere Asphaltkante manövriert wird.

"Wir hatten schon verheerende Unfälle mit dreifachen Überschlägen oder Abflügen in die Böschung. Aber es ist noch nie jemand verletzt worden", betont Andlinger. Dass das auch so bleibt, darauf wird Wert gelegt. Trotzdem ermutigt man die Teilnehmer dazu, auch ein gewisses Risiko einzugehen, die neuen Fahrtechniken auszuprobieren, auf Tempo zu fahren. "Sonst könnten wir auch ein Fahrsicherheitstraining anbieten."

Wo sind die Frauen?

"Leider gibt es nur sehr wenige Frauen, die für diesen Sport Interesse zeigen", bedauert Andinger ein wenig die Dominanz männlicher Kunden. Der Anteil von Frauen liegt nur bei etwa 20 bis 30 Prozent. "Dabei sind Frauen eindeutig die besseren Schülerinnen, weil sie nicht von Anfang an den Drang verspüren, etwas beweisen zu müssen. Die Lernkurve ist steiler, die Erfolge während des Trainings merkbarer." Woher die Scheu vor dem Motorsport bei den Frauen kommt, weiß auch er nicht. "Vermutlich würden sich Frauen aber eher an die Sache heranwagen, wenn keine Männer dabei wären. Auch nicht im Publikum als Kommentatoren", so Andlinger.

Die Fahrer werden von Runde zu Runde mutiger - und ihre Fahrtechnik wird immer besser. Mit jedem geglückten Manöver steigt das Selbstbewusstsein, aus Fehlern lernt man, und kurz vor zwölf Uhr brettern 16 Teilnehmer über die staubige Piste. Nach etwa vier Stunden sind sie so weit, gegen die Stoppuhr zu fahren. Und tatsächlich ist es erstaunlich, wie die Fahrschüler jetzt den Kurs meistern. Aus unsicheren, vorsichtigen Fahrern sind risikofreudige, aber sichere Rallyeanfänger geworden. Die einzige Gefahr, der man sich ab dem Zeitpunkt massiv aussetzt, ist jene, süchtig nach diesem Sport zu werden. (Mirjam Harmtodt, derStandard.at, 9.5.2012)