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Vom Wüstencamp im Wadi Rum aus unternimmt man Ausflüge mit dem Jeep - oder dem Kamel.

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Schicht für Schicht heben Mahmoud Al Zwuiedhe und sein Kollege die Teppiche vom Boden und legen so ein etwa hüfthohes Erdloch frei. Bevor sie das Ziegenfleisch und die Kartoffeln sorgfältig aus dem Loch herausholen, haben die Lebensmittel schon gut zwei Stunden unter der Erde gegart. Unter der Erde, das heißt in Wadi Rum, der größten Steinwüste Jordaniens, unter rotem Sand, der genau wie die bizarren Felsformationen vor über 30 Millionen Jahren entstanden ist.

Das Essen bringen die beiden in das nebenstehende Zelt, welches die Größe eines mittelgroßen Restaurants hat. Die schwarzen Zeltwände wurden von den Frauen der Gegend in Handarbeit aus Ziegenhaar gewebt, der weiße Streifen in der Mitte aus Kamelhaar. Die Beduinenzelte sind traditionell in einen Teil für Männer und einen für Frauen eingeteilt.

Überlebensstrategie

Im männlichen Teil wird der Kaffee gekocht, der in der Beduinenkultur eine außerordentliche Rolle spielt. Anhand des Stampfens der Bohnen erkannten beispielsweise die Nachbarn, ob das ganze Dorf zum Trinken eingeladen ist oder nur die eigene Familie. Getrunken wird ausnahmslos arabischer Kaffee, der im Prinzip wie türkischer Kaffee zubereitet wird, nur mit gröberen Kaffeebohnen und stärkerer Kardamom-Würzung. Als Gast bei den Beduinen sollte man niemals eine Tasse Kaffee ablehnen, denn sie hat symbolischen Charakter: Beim Verzehr des Genussmittels kann etwa Frieden zwischen zwei Streitenden geschlossen oder durch das Ablehnen desselbigen eine Familienfehde angezettelt werden.

Letztendlich spielt der Kaffee auch bei Hochzeiten der Beduinen eine zentrale Rolle: "Erst als der Vater meiner Frau unseren Kaffee angenommen hat, wusste ich, dass er mir seine Tochter zur Heirat freigibt", erinnert sich der 39-jährige Mahmoud. Was früher eine Überlebensstrategie der kriegerischen Wüstenvölker war, ist heute noch gängige Regel: Jeder Mann darf vier Frauen gleichzeitig haben.

In Mahmouds Zelt stehen bereits kalte arabische Vorspeisen wie Humus, Petersilien- und etliche weitere Salate und ein dünn gebackenes Fladenbrot angerichtet. Anstatt Sesseln ist das Zelt voll mit üppigen Teppichen ausgelegt. Mahmoud nimmt neben seiner Wasserpfeife Platz und greift zum Rebab, einem arabischen Streichinstrument mit rundem Schallkörper.

Der 39-jährige Mahmoud Al Zwuiedhe ist Beduine. Doch den Lebensstil, den er hier zur Schau stellt, ist nicht sein eigener: Der Jordanier arbeitet am Captain's Desert Camp in Wadi Rum. Seine Ausführungen werden heute von regelmäßigen Fotoklicks einer 10-köpfigen Reisegruppe begleitet, die das Zeltlager besichtigt.

Strom und Gas statt Ziegen und Schafe

"Mein Vater ist noch durch die Wüste gezogen und hat von der Schaf- und Ziegenzucht gelebt", weiß der Nomadensohn. Er selbst lebt jedoch in einem Betonhaus mit fließend Wasser, Gas und Strom. Manchmal bedauert er die Entwicklung, doch seine sechs Kinder wollen auf keinen Fall mehr auf die Annehmlichkeiten wie Duschen und Satellitenfernsehen verzichten. Selbst inmitten der Wüste gibt es eine Jungen- und Mädchenschule, eine Handvoll Geschäfte sowie eine Polizeistation.

Mindestens 50.000 Jordanier ziehen zwar heute noch durch die Wüste, doch die Haupteinnahmequelle der Beduinen in Wadi Rum ist längst der Tourismus. 1987 eröffnete das Captain's Desert Camp als Erstes seiner Art und bietet Besuchern Kameltouren durch die Wüste, Zelt- und Lagerfeuerromantik sowie Einblicke in die beduinische Kultur.

Heute lädt Mahmoud die Reisegruppe mit einem zweiten Fahrer auf die Ladeflächen zweier Jeeps und fährt durch die Steinwüste. Soweit das Auge reicht, sind nur archaische Felsformationen aus Granit, die bis zu 1800 Meter in die Höhe ragen, zu sehen. Manchmal wechselt die Farbe des Gesteins und des Sandes schlagartig von Gelb nach Dunkelrot, je nach Anteil der Mineralien. Wenn die Fahrer zum Fotostopp halten, staunen die Reisenden ob der Ruhe: Außer dem Wehen des Windes ist es komplett still in der Wüste. Nachdem die Sonne untergegangen ist, spenden nur mehr das Lagerfeuer und die etlichen Sterne etwas Licht im Zeltlager. Wenn Mahmoud Al Zwuiedhe nun anfängt, seine Geschichten zu erzählen, handeln sie von einer Vergangenheit, die auch für ihn schon weit weg erscheint. (Fabian Kretschmer, Album, DER STANDARD, 5.5.2012)