Wissenschaft 2.0, Cyberscience, Big Data - wenn es um die Zukunft der Wissenschaft geht, ringt eine Vielzahl an Schlagwörtern um Beachtung. Der Frage, wie die Wissenschaft im Jahr 2030 aussehen könnte, verschreibt sich das Forschungsprojekt "Research and Innovation Futures 2030" (RIF). Das Austrian Institute of Technology (AIT) fungiert dabei als projektleitende Institution und hat am Montag zu einem Workshop mit Projektpartnern und anderen Experten aus aller Welt in Wien geladen, um über Zukunftsszenarien für die Wissenschaft zu diskutieren.

Manche der Einflüsse, die dabei berücksichtigt werden müssen, sind so alt wie die Wissenschaft selbst. Darunter fallen etwa die Frage der Finanzierung, die Rolle der Frauen oder die Interessen, von denen die Forschung geleitet ist. Andere Phänomene haben erst in den letzten Jahren Einzug in die Wissenschaft gehalten - allen voran die neuen digitalen Medien oder die virtuellen Welten, die das Internet eröffnet. Unter "Digitalisierung" und "Virtualisierung" subsumiert die Politikwissenschafterin Petra Schaper-Rinkel vom AIT die Entwicklungen, denen sie im Rahmen des RIF-Forschungsprojekts nachgeht.

Darüber, dass die Wissenschaft auch in Zukunft zunehmend virtuelle Räume erschließen wird, herrschte beim RIF-Workshop weitgehende Einigkeit; sei es, um online zu publizieren oder um die großen Datenfluten, die das Internet bereitstellt, für Forschungszwecke zu verwenden. Damit geht die steigende Bedeutung von Facebook und anderen Social-Media-Kommunikationskanälen einher. So lässt sich zumindest ein Zukunftsszenario genauer charakterisieren: Die Wissenschaft im Jahr 2030 wird sich um Cyberscience und eine Wissenschaft 2.0 drehen.

Die neuen Kommunikationsformen, die das Internet eröffnet, könnten Frauen vermehrt den Weg in höhere Etagen der Forschung ebnen, meint die Gender- und Technikforscherin Ellen Van Oost von der Twente-Universität (Niederlande), die sich ebenfalls im RIF-Projekt engagiert.

Zunehmende Spannungen

Werden derzeit bestehende Spannungen wie die Kommerzialisierung der Wissenschaft und der zunehmende Druck, verwertbare Ergebnisse zu produzieren, bis 2030 gelöst sein? Nein, lautete die einstimmige Prognose. Im Gegenteil könnten sie sogar noch zunehmen, auch was die Vor- und Nachteile staatlicher und privater Finanzierung angeht oder den Umgang mit der zunehmenden Menge an Daten (Big Data) und Open Access: Ob Chancen oder Gefahren überwiegen, wenn die Wissenschafter all ihre Daten und Resultate kostenlos und frei zugänglich ins Netz stellen, darüber werde auch bis 2030 kein Konsens gefunden sein, waren sich die Wissenschaftsforscher einig.

Keine einheitliche Beantwortung konnte auf die Frage gefunden werden, ob die zunehmende Globalisierung und Vernetzung gesellschaftlicher Probleme schon in den nächsten 20 Jahren dazu führen wird, dass die Naturwissenschaften als Platzhirsch unter den Wissenschaften vom Thron gestoßen werden und stattdessen interdisziplinäre Forschungsbestrebungen befördert werden.

Das internationale Projekt "Research and Innovation Futures 2030" wird von der Europäischen Union im Zuge des siebten Rahmenprogramms gefördert. Es läuft seit Oktober 2011 und bis September 2013. (trat, DER STANDARD, 16.5.2012)