Wer gerade jetzt den Abgang Griechenlands aus der Eurozone verlangt, beweist vor allem eines: Mangel an Respekt vor der Demokratie und wenig Vertrauen in ihre Institutionen - in Griechenland wie auch in der Union. Was unter der Akropolis von Athen gerade abläuft, kann ja niemanden wirklich überraschen.

Der wirtschaftlichen Pleite, die von Euro-Partnern und Währungsfonds abgewendet wurde, folgte vor zehn Tagen der Zusammenbruch jener zwei „Volksparteien", die das Desaster seit Jahrzehnten angerichtet haben. Jetzt kommt eine mühsame politische Neuordnung. Neuwahlen, so wie die Verfassung das nach einer gescheiterten Regierungsbildung vorsieht. Na und? Belgien brauchte zuletzt 534 Tage zur Regierungsbildung.

Die Griechen, allemal noch unsere europäischen Mitbürger, brauchen dafür jetzt vor allem eines: Zeit - und Unterstützung. Die sollte man ihnen geben, bis auf weiteres. Es wäre fatal, sie jetzt wegzustoßen, nur weil manchen in Europa das Wahlergebnis nicht passt. In Perioden historischer Umbrüche - um eine solche handelt es sich - muss man Partnervölkern helfen. Diesen Grundsatz der Solidarität in einer so heiklen Situation aufzugeben würde wohl das Ende der Union einleiten. Als Nächstes käme Portugal.

80 Prozent der Griechen wollen im Euro bleiben. Soweit sich das abschätzen lässt, reichen die Hilfsgelder noch bis zum Herbst. Man sollte ihnen gelassen eine Chance geben. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 16./17.5.2012)