Yvonne Weiler im Esszimmer vor einem Bild ihres Mannes Max Weiler. Die Reduktion des Raumes erlaubt den Blick auf das Wesentliche, sagt sie.

Foto: Lisi Specht

Yvonne Weiler, die Witwe des Künstlers Max Weiler, lebt in einer Wohnung in der Wiener City. Michael Hausenblas erzählte sie von Zeitreisen zur Kunst ihres Mannes.

"Mein Mann Max Weiler, er lebte von 1910 bis 2001, wurde im Jahre 1964 Professor für Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er entschied sich im selben Jahr für diese Wohnung, weil sie genau 1000 Schritte von der Akademie entfernt liegt, nämlich in der Wiener Mahlerstraße, gleich bei der Oper ums Eck. Niemand wollte damals in der Stadt wohnen, und angeblich waren die Leute selig, dass sie endlich einen Mieter gefunden hatten. Ich kam dann 1986 hierher, und an diesem Ort werde ich auch bleiben - allein schon wegen der ganzen Erinnerungen an das aufregende Leben und die gemeinsame Arbeit. Es ist, als würden Filme in meinem Kopf ablaufen.

Die Wohnung liegt im dritten Stock eines Gründerzeithauses, misst 150 Quadratmeter und zählt insgesamt fünf großzügige Räume. Das Haus strahlt eine gute Stimmung aus. Das fühlt man schon, wenn man hereinkommt. Terrasse oder Garten gibt es nicht, aber das Grüne geht mir nicht ab. Ich bin ein Stadtmensch. Außerdem habe ich gleich vor dem Haus den Max-Weiler-Platz. Ist das nicht wunderbar? Als ich hier einzog, sah die Wohnung ganz anders aus. Für meinen Mann war Wohnen nicht so wichtig. Sein Leben spielte sich im Atelier ab.

Ich habe mir dann ausbedungen, dass ich die Wohnung umkrempeln darf, und wir zogen für ein halbes Jahr aus. Er selbst wollte mit dem Umbau nichts zu tun haben und ließ sich nicht ein einziges Mal blicken. Es bereitete mir große Sorgen, ob ihm die Wohnung gefallen würde. Als alles fertig war, zeigte er sich schließlich begeistert.

Die Wohnung wirkt sehr reduziert. Die Reduziertheit entspricht meiner Mentalität. Ich denke, dass nur die Reduktion den Blick auf das Wesentliche erlaubt, - nämlich auf seine Bilder und auf meine Bibliothek. Das gilt auch für die Gestaltung von Ausstellungen.

Möbel sind mir vor allem in ästhetischer Hinsicht sehr wichtig. Es gibt hier noch ein paar josephinische Stücke von meiner Mutter, außerdem Freischwinger von Marcel Breuer oder zum Beispiel die vier Beistelltischchen von Eileen Grey. Aber auch bezüglich der Meublage herrscht Reduktion. Ausmalen sollte man wieder einmal und den Boden neu abziehen. Entsetzlich! Wenn ich nur daran denke! Seit elf Jahren wohne ich also allein. Aber ich bin ein betriebsamer Mensch, und aufgrund meiner Ausstellungs- und Publikationsprojekte bin ich auch viel unterwegs.

Diese Wohnung ist für mich in erster Linie ein geistiger Ort. Kunst ist Geist. Das ist kein Wohnen im herkömmlichen Sinne. An den Wänden hängen einige wenige Bilder meines Mannes, und ich habe das Gefühl, sein Geist weilt noch immer in diesen Räumen. Auf gewisse Weise sehe ich ihn auch. Ich lebe quasi in diesen Bildern, könnte man sagen. Sie sind eine Zeitreise durch mehrere Epochen seines Schaffens. Das erste Bild stammt aus dem Jahre 1932, das letzte von 1997.

Das Werk von Max Weiler hat mich vom ersten Anblick an fasziniert. Das war bei einer Ausstellung im Jahre 1966. Wenn er malte, durfte ich nie zuschauen. Beim Grundieren half ich ihm oft. Diese Arbeit tun sich heute nur mehr wenige an. Die meisten kaufen fertig grundierte Leinwände.

Manchmal wechsle ich eines seiner Gemälde aus. Das geschieht ganz plötzlich. Es ist ein starkes Gefühl der Sehnsucht nach einem ganz bestimmten Bild. Das muss dann sofort geholt werden. Die anderen Bilder befinden sich im Atelier meines Mannes im siebten Bezirk, wo das Max-Weiler-Archiv gelagert ist. Dorthin und zurück ist er auch mit 85 noch jeden Tag zu Fuß gegangen. Da hat er sich zum Malen eingesperrt, täglich von acht Uhr morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit. Das war sein Leben." (DER STANDARD, 19./20.5.2012)