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Der Euroaustritt schwebt über Griechenland.

Foto: Reuters/Kolesidis

Athen/Berlin - Das neu gewählte griechische Parlament ist am Samstag wie erwartet aufgelöst worden, um den Weg für Neuwahlen im Juni zu ebnen. Für Verwirrung und Empörung hatte in Athen zuvor ein Telefonat gesorgt, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag mit Staatspräsident Karolos Papoulias geführt hatte. Die deutsche Regierung hat dementiert, dass Merkel dabei ein Referendum über den Euroverbleib Griechenlands vorgeschlagen habe. Der Chef der stärksten griechischen Partei, der konservativen "Neuen Demokratie" (ND), Antonis Samaras, erklärte am Samstag, ein solches Ansinnen könne nicht akzeptiert werden.

Staatspräsident Papoulias unterzeichnete am Samstag in Athen das Dekret über die Parlamentsauflösung. Die Neuwahlen sollen wie geplant am 17. Juni stattfinden. Nach letzten Umfragen können die beiden pro-europäischen Altparteien, die konservative "Neue Demokratie" (ND) und die "Panhellenische Sozialistische Bewegung" (PASOK), mit einer Mehrheit im nächsten Parlament rechnen. Allerdings dürfte das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA), das am 6. Mai zweitstärkste Kraft nach der ND geworden war, weiteren Stimmenzuwachs bekommen. SYRIZA unter seinem charismatischen Chef Alexis Tsipras will zwar in der Eurozone bleiben, aber das mit den internationalen Geldgebern vereinbarte Sparpaket einseitig aufkündigen.

Die erst vor zwölf Tagen gewählte Nationalversammlung, die aus 300 Abgeordneten besteht, musste sich am Freitag konstituieren und zunächst formell ein Präsidium und andere Gremien wählen, um gemäß der Verfassung aufgelöst werden zu können. Alle Bemühungen, eine tragfähige Koalitionsregierung nach den Wahlen vom 6. Mai auf die Beine zu bringen, waren zuvor gescheitert.

"Wie unter Protektorat"

"Frau Merkel ist es gewohnt, sich an die politischen Spitzen Griechenlands zu wenden, als ob es sich um ein Land unter Protektorat handle", kritisierte Tsipras die deutsche Regierungschefin. Am 17. Juni würden die Griechen ihre "definitive Antwort" geben und der Sparpolitik und der "Unterwerfung" ein Ende bereiten. Eine vom früheren sozialistischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou im Vorjahr vorgeschlagene Volksabstimmung über das mit EU und IWF ausgehandelte Rettungsprogramm hatte wütende deutsche Reaktionen ausgelöst und letztlich zum Sturz Papandreous geführt.

Die konservative Athener Zeitung "Eleftheros Typos" titelte am Samstag: "Noch nie dagewesene politische Intervention untergräbt das politische Klima." Die Parteizeitung der Radikalen Linken "Avgi" schrieb: "Grobe Erpressung - Nein zum Ultimatum Merkels!"

"Zur Sprache bringen"

Die "Süddeutsche Zeitung" (München) berichtete am Samstag, die Euro-Finanzminister hätten Anfang der Woche in Brüssel "in aller Stille" den griechischen Ressortkollegen Philippos Sahinidis beauftragt, "die Möglichkeit eines Referendums in Athen zur Sprache zu bringen". Kein Politiker habe die Frage offen ansprechen wollen. Merkel habe sich am Freitag die Zeit genommen, Papoulias "über die Lage zu informieren". Das Massenblatt "Bild" schrieb am Samstag ähnlich, Merkel habe in dem Telefonat mit dem griechischen Präsidenten wissen wollen, was er davon halte. Der habe abgelehnt.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf der Kanzlerin am Samstag vor, angesichts der prekären Lage in Griechenland zusätzlich für Unsicherheit zu sorgen. "Angela Merkel scheint mitten in der Krise langsam den Überblick zu verlieren", erklärte Nahles in Berlin. "Was auch immer sie mit Präsident Papoulias besprochen hat, besonders klar war es wohl nicht." In der Krise schaffe vor allem Klarheit Stabilität. "Dazu trägt die Bundeskanzlerin nicht gerade bei." (APA, 19.5.2012)