Außen zwei "normale" Scheiben, innen zehn ultradünne Scheibenfolien: Mit den "Superwindows" ...

Foto: superwindows.eu

... wäre ein U-Wert von 0,1 erreichbar, schwärmen Experten.

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"Wenn das funktioniert", sagt Winfried Schuh, "dann wird alles neu gemischt. Dann kann man ein Passivhaus auch am Pol bauen." Was den Wiener Architekten, Energieberater und Bauphysiker mit Büro im 7. Bezirk (hausverstand.com) auf der jüngsten internationalen Passivhaustagung in Hannover so schwer begeisterte, ist durchaus nachvollziehbar. Denn wenn es die Ideen der beiden polnischen Naturwissenschaftler Mariusz Paszkowski und Antoni Kostka tatsächlich bis zur Serienreife schaffen, dann steht dem Konzept Passivhaus eine Art Revolution ins Haus. 

Superdichte Fenster

Doch der Reihe nach: Um eine Passivhaus-Gebäudehülle zu bekommen, benötigt man vor allem gute, sprich dichte Fenster. Bei der Verglasung ist derzeit ein U-Wert (=Wärmedurchgangskoeffizient) von maximal 0,8 Stand der Technik. Einen solchen erreicht man mit einer Dreifachverglasung - ohne diese lässt sich kein Passivhaus bauen.

Selbst Vierfach- und sogar Fünffach-Verglasungen sind mittlerweile schon in Verwendung. Das Prinzip ist einfach: Je mehr Scheiben es gibt, desto besser wird der U-Wert. Warum das so ist, erklärt Schuh folgendermaßen: "Normalerweise hat man im Inneren eines doppelt verglasten Fensters eine 'Walze'. An der inneren Scheibe erwärmt sich die Luft bzw. das Gas, es steigt dann auf und sinkt an der Außenseite wieder hinunter." Schon durch eine dritte Scheibe zwischen den beiden äußeren wird diese Zirkulation eingeschränkt - so kann der U-Wert von 0,8 erreicht werden.

Entsprechend verbessert wird das System nochmals durch eine vierte oder fünfte Glasscheibe. Das unschwer erkennbare Problem dabei ist allerdings: Je mehr Scheiben es gibt, desto schwerer wird das Fenster.

Zwölffach-Verglasung

Und hier kommen nun die beiden polnischen Entwickler ins Spiel: Das von ihnen erfundene Fenster hat außen und innen je zwei "normale" Glasscheiben - dazwischen aber gleich zehn Schichten, "die so dünn sind, dass man sie sogar rollen kann", schwärmt Schuh.

Durch diese nunmehrige Zwölffach-Verglasung ist laut dem Passivhaus-Experten, der den Vortrag der Polen auf der Passivhaustagung in Hannover live miterlebt hat, sogar ein U-Wert von 0,15 möglich - es wäre das fast perfekt isolierte Fenster.

Ein Prototyp, mehr nicht

Allerdings: Die Entwicklung steckt noch tief in den Kinderschuhen, darauf weist Mit-Entwickler Kostka in einem E-Mail gegenüber derStandard.at ausdrücklich hin. Die beiden sind sich des Eindrucks bewusst, den sie in Hannover hinterlassen haben, aber sie wissen auch, dass es bis zur Serienreife noch ein weiter Weg ist. Man habe Kooperationen mit mehreren Firmen gestartet, die solche ultra-dünnen flexiblen Glasfolien herstellen können, allesamt in China angesiedelt. Experimentiert wird derzeit noch mit Polykarbonaten und PET. "Der Prozess ist noch sehr kompliziert."

Bald werde das Produkt aber serienreif und erschwinglich sein, glaubt Kostka. Dazu wäre es nötig, Investoren zu finden - das Team ist schon fieberhaft auf der Suche nach solchen, auch um die weiteren Forschungen zu finanzieren.

Neue Lösungen für neue Richtlinien

Wegen der kommenden EU-Energieeffizienzrichtlinie wird die Thermodämmung transparenter Fassadenelemente an Gebäuden künftig schlicht ein Muss sein, davon sind die beiden Entwickler überzeugt. Spätestens ab 2020, wenn sämtliche neu gebauten und sanierten Gebäude dem "Zero-Energy"-Standard der EU gerecht werden müssen, werden neue Lösungen gebraucht werden.

Statisch stoße man mit den heutigen Drei- bis Vierfachverglasungen ohnehin bereits an Grenzen: Um damit ganze Fassaden zu gestalten, brauche es neue, viel stärkere Rahmen, die so viel Glas auch tragen können. "Unsere Technologie würde in diesem Bereich beinahe uneingeschränkte Möglichkeiten eröffnen, denn obwohl unsere Fenster sehr tief sind, sind sie nicht sehr schwer. Das dünne Glas wiegt fast nichts."

In der Tiefe der Fenster - 20 Zentimeter und mehr - sehen die Entwickler kein Problem, schließlich waren die alten Kastenfenster etwa in Wiener Gründerzeitbauten einst in ganz Europa weit verbreitet. Auch die doppelten Glasfassaden heutiger moderner Architekten seien im Wesentlichen nichts anderes, erklärt Kostka.

Kastenfenster für denkmalgeschützte Altbauten

"Wir werden die Weiterentwicklung der gezeigten Prototypen aufmerksam verfolgen und sind auf eine künftige Serienproduktion gespannt", sagt auch Schuh, der sich auf der Hannoveraner Tagung gleich über noch eine Neuheit auf dem Sektor der Passivhausfenster freuen konnte: das zertifizierte Passivhaus-Kastenfenster namens "smartwin", entwickelt von der bayerischen Firma Freundorfer.

Damit können nun auch Gebäude, bei denen aus Sicht des Denkmalschutzes keine modernen Isolierverglasungen in Frage kommen, auf ein Passivhaus saniert werden. Bei dem nach dem PHPP-Standard des Darmstädter Passivhaus-Instituts von Wolfgang Feist zertifizierten Fenster handelt es sich um eine "3+1"-Verglasung, also zunächst einen äußeren Flügelrahmen mit Einfachverglasung, der in beliebiger Optik an die Denkmalschutz-Vorgaben angepasst werden kann. Eine dahinterliegende Dreifach-Verglasung übernimmt dann die Dämmfunktion. (Martin Putschögl, derStandard.at, 21.5.2012)