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Autobahnen benötigen wesentlich mehr Fläche als Straßen mit Kreuzungen. Im Bild die Südosttangente (A23). Rundherum ist von pflanzlichem Grün nicht viel zu sehen.

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Wien - Bisher sind die Bauern im Zusammenhang mit Grundstücksumwidmungen eher als Nutznießer genannt worden. Nun aber fordern sie eine komplette Umkehr von dieser Praxis. Täglich wird in Österreich nämlich landwirtschaftliche Produktionsfläche im Umfang von 15 Hektar verbetoniert: weil neue Wohn-, Industrie- oder Gewerbegebiete entstehen, weil neue Straßen gebaut und bestehende verbreitert oder Bahngleise verlegt werden.

15 Hektar, dies ist die Größe eines durchschnittlichen Bauernhofes, erklärt Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski. In den letzten 20 Jahren seien so 110.000 Hektar landwirtschaftlicher Grund verlorengegangen. Wird nicht gegengesteuert, wäre in 30 Jahren in Österreich so viel verbaut, wie die gesamte landwirtschaftliche Fläche des Burgenlandes ausmacht.

Dieser Trend hat negative Effekte auf Umwelt und Klima, so Kurt Weinberger, Chef der Österreichischen Hagelversicherung: Wenn große Flächen des CO2-Speichers Boden versiegelt werden, beschleunigt dies den Klimawandel. Die Fähigkeit des Bodens, Wasser aufzunehmen, geht zurück, wodurch wiederum Extremwetter-Ereignisse stärkere negative Folgen haben. Außerdem: "Unser Versicherungsgegenstand verringert sich von Tag zu Tag."

Wlodkowski verwehrt sich dagegen, dass er als Bauernvertreter erst jetzt, wo die steuerliche Begünstigung bei Umwidmungsgewinnen fällt, gegen den hohen Bodenbedarf anderer Branchen antritt. In der Regel seien die Erträge, die die Bauern daraus lukrieren, wenn sie an Firmen wie die Autobahngesellschaft Asfinag oder die ÖBB verkaufen müssen, gering, sagt er. In der Südoststeiermark oder im Weinviertel sind für Äcker oder Wiesen in solchen Fällen Mini-Quadratmeterpreise von zwei bis fünf Euro zu erhalten. Allerdings sind bei den Gewerbe- und Handelsflächen in den Speckgürteln rund um die Städte die Preise höher.

Neuer Anlauf

Schon im Jahr 2002 hat es im Rahmen eines Strategiepapiers zu nachhaltiger Entwicklung das Bekenntnis zu einer schonenderen Raum- und Verkehrsplanung gegeben. Damals wurde erfolglos das Ziel definiert, die Flächenversiegelung auf einen Hektar pro Tag zu verringern.

Jetzt wird der Ein-Hektar-Wert wieder angepeilt, wobei den Bauernvertretern klar ist, dass dabei an vielen Schrauben gedreht werden muss. Da Raumplanung in Österreich Ländersache ist und auch Bürgermeister auf Gemeindeebene ihre Partikularinteressen durchsetzen wollen, soll eine Bund-Länder-Vereinbarung im Verfassungsrang her. In dieser sogenannten 15a-Vereinbarung sollte etwa eine zwingende Wiederverwertung von Industrie- und Gewerbebrachen hineinverpackt werden. Mit dem derzeitigen Bestand an solchen brachliegenden Flächen könnte rund ein Drittel des jährlichen Flächenbedarfs abgedeckt werden. Die Raumordnungskonferenz soll dazu Vorschläge machen.

Ein schonenderes Raumordnungskonzept ist auch deshalb notwendig, weil der Bedarf an Fläche bei der Landwirtschaft nicht ab-, sondern zunimmt. Neben der Versorgung von Mensch und Tier werden immer mehr Energiepflanzen angebaut, dazu kommen immer mehr Pflanzen als Grundlage für neue Anwendungen und Entwicklungen, beispielsweise für verrottbare Verpackungen als Plastikersatz. In Untersuchungen in Deutschland wird davon ausgegangen, dass für den Ausbau erneuerbarer Energien 4000 Kilometer neue Stromtrassen verlegt werden müssen, was auch zulasten von Ackerfläche geht. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 23.5.2012)