Bobby Womack veröffentlicht ein so großartiges wie berührendes Spätwerk.

Foto: XL Rec.

Zu den überzeugendsten Stimmen gehören jene, denen man das Leben anhört, dem sie ihren Klang schulden. Wenn Bobby Womack das Lied "The Bravest Man in the Universe" intoniert, legt er damit die Topografie seines Lebens offen. Aus dieser lassen sich die Höhen ebenso ablesen wie die Schluchten - Drogensucht und eine eben überstandene Krebserkrankung, um zwei der tiefsten Gräben zu benennen, durch die der heute 68-jährige Soulsänger gegangen ist. Der Song ist Bekenntnis und Erkenntnis zugleich.

Produziert hat das gleichnamige Comebackalbum Damon Albarn; und deshalb ist es kein klassisches Soulalbum geworden, sondern befindet sich ästhetisch in einer Schnittmenge aus Arbeiten, die der Brite mit Bands wie Blur, Gorillaz oder The Good, the Bad & the Queen verwirklicht hat: eine erlesene Mischung aus Elektronik und klassischer Instrumentierung.

Für den Soulstar kreierte Albarn einen einfühlsamen Minimalismus, dem blubbernde Basslinien, Streicher und nur ein spartanisch gespieltes Klavier eine elegant-moderne Form verleihen. In diesem unaufdringlichen und dabei prägnanten Soundkostüm singt Womack seine Texte mit grobkörniger Stimme. Die Titel sprechen Bände. "Please Forgive My Heart", "Stupid", "Deep River", "Nothing Can Save Ya" behandeln die letzten Dinge, berühren die ewigen Themen des Menschen - also jene, die Soul als Musik Unterdrückter immer besonders beschäftigt hat. Gesamplete Texte über das Wesen des Alters unterstreichen das, verleihen dem knappen Werk fast schon testamentarischen Charakter.

Bobby Womack ist einer der großen (jetzt wieder) Aktiven der Soulära. Begonnen hat seine Karriere bereits in den 1950ern. In den 1960ern schrieb der in Cleveland, Ohio, geborene Musiker für seine Band The Valentinos "It's All Over Now", das 1964 in der Version der Rolling Stones deren erster Hit wurde. 1965 heiratete er nur drei Monate nach Sam Cookes Tod dessen Witwe - was seine Karriere fast beendet hätte. Bevor er 1968 mit "Fly Me to the Moon" eine erfolgreiche Solokarriere startete, war Womack Sessionmusiker in Chips Momans American Studio, wo er für Aretha Franklin, Joe Tex und etliche andere Gitarre spielte. Auch für Sly Stone oder Janis Joplin griff Womack in die Saiten.

Seine Version von "California Dreaming" machte ihn zum Star, es folgten tolle Alben wie "Communication", der berühmt gewordene Soundtrack zu "Across 110th Street" sowie später "The Poet" und "The Poet II", die ihn als Soul-Superstar in die 1980er-Jahre beförderten; ein Schritt, den viele seiner Kollegen nicht schafften. Womack veröffentlichte bis Ende der 1990er-Jahre Alben - darunter das obligatorische Weihnachtsalbum.

Auf "The Bravest Man in the Universe" bemüht der alte Mann noch einmal seine ganze künstlerische Überzeugungskraft. Vom Selbstzweifel bis zur aus dem Gospel abgeleiteten Hoffnung reicht der Bogen. Dabei fallen großartige Lieder vom Ende des Lebens ab - wie "If There Wasn't Something There", ein Gospel aus den Schaltkreisen. Albarn gelingt mit Womack was Gil Scott-Heron mit seinem letzten Album "I'm New Here" nur fragmentarisch geschafft hat: die Übertragung der thematischen Schwere des Souls in ein adäquates zeitgenössisches Outfit unter respektvoller Einbeziehung des Hauptdarstellers.

Dass die Stimme des 2011 verstorbenen Scott-Heron hier als Zwinkern aus dem Jenseits eingebaut wurde, verstärkt diese Verwandtschaft, aber "The Bravest Man" ist das komplettere Werk, das mit dem etwas käsigen "Love Is Gonna Lift You Up" einen einzigen Ausreißer nach unten hat. Aber vielleicht erweist sich selbst dieser Song auf lange Sicht noch als mutiges Experiment. Der Rest küsst jetzt bereits den Himmel. (Karl Fluch, Rondo, DER STANDARD, 1.6.2012)