Manfred Wakolbingers Skulpturen überzeugen mit dynamischer Kommunikation trotz starrer Materialität.

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Manfred Wakolbinger stellt in Krems aus.

Foto: ZKN/Hubert Lackinger

In "Up from the Skies" spielt er mit Schwere und Leichtigkeit, dem Innen und Außen unserer Wahrnehmung.

Krems - Von ihren Wandbemalungen und liturgischen Gegenständen befreit, stehen die Wölbungen der gotischen Kathedrale gleichermaßen nackt da. Seiner sakralen Funktion enthoben, bildet das Innere der ehemaligen Dominikanerkirche im Zentrum von Krems ab Sonntag den Betrachtungsraum für die Werkschau Up from the Skies des österreichischen Bildhauers Manfred Wakolbinger.

Die Ausstellung der Landesgalerie für zeitgenössische Kunst in Krems spannt einen Bogen von den frühen 1980er-Jahren bis heute, anhand der Werkgruppen lässt sich Wakolbingers künstlerische Evolution gut ablesen.

Dem Verhältnis von Sockel zu Figur, das sich im Laufe seiner Arbeitsphasen immer aufs Neue transformiert, kommt dabei besondere Bedeutung zu. Von den frühen Arbeiten aus Kupfer und Spachtelputz über die in die Wand eingebauten oder an der Decke aufgehängten Metallkörper der 1990er bis zu den neuesten Arbeiten werden Status und Funktion des Sockels neu definiert. An der schritthaften Metamorphose wird so die Beschäftigung Wakolbingers mit der Problematik der Skulptur ersichtlich.

Inspirieren lässt sich der Künstler für seine Arbeiten immer wieder von der Form der kleinen Geschichte. Sei es die von Sloterdijk beschriebene indische Legende von den Göttervögeln, Kreationsmythen der sulawesischen Torajas oder seine eigene Erfahrung des kollektiven Staunens als Fünfjähriger, als der Sputnik-Satellit der Menschheit einen Spiegel ihrer eigenen Möglichkeiten vorhielt - der 60-jährige Bildhauer nimmt oft symbolische Parabeln zum Anstoß des Nachdenkens über Kunst.

Die bestimmenden Dualismen von innen und außen sowie hart und weich werden dabei in der Bearbeitung des Werkstoffes ausgedrückt. Wakolbingers Lieblingsmaterial ist Kupfer. Es dominiert seine Arbeiten, er schätzt daran die leichte Formbarkeit und das fleischlich-organische Aussehen.

An den Placements betitelten gewundenen Bögen aus dunkelgrauem Metall, die ab 2000 entstehen, wird eine weitere Entwicklung im Werk Wakolbingers sichtbar. Die Objekte werden nun nicht mehr nur im realen öffentlichen Raum, sondern auch als virtuelle Artefakte in Fotografien montiert. So wird die gesamte Ausstellung von Videoarbeiten erweitert, in denen die Objekte neue räumliche Beziehungen eingehen.

Als hätten die Figuren Beine bekommen, entstehen ab 2007 die Travellers. Sie erinnern an Außerirdische oder futuristische Avatare, die reisend über die Erde gleiten. Das Gefühl des Schwebens, das man beim Verliebtsein, beim Tauchen oder in der Badewanne fühlt, ist in diesen Skulpturen angelegt und suggeriert eine "angenehme Expansion des Körpers".

Die prominenteste Werkgruppe der Schau sind aber die gewundenen Forces: gebeizte rosa Kupferformen, die an überdimensionale Sojasprossen oder Spermien erinnern, sich glänzend an die Wand lehnen und ihre eierförmigen Köpfe in den Raum recken.

Die Installation im Binnenchor der Kirche lässt acht dieser jüngst entstandenen "Zustände" mitein ander kommunizieren. Entgegen ihrer starren Materialität entfalten die Objekte hier eine dynamische Wirkung, die von der Form und Farbe lebt. Hier ist am deutlichsten zu spüren, was Wakolbinger in der Nutzung der Räume anstrebt: eine freudvolle Reflexion der eigenen Lebenswelten, die sich beim Kunstgenuss entfaltet.

Wakolbinger thematisiert entrückte Wahrnehmung, die Schwerelosigkeit, die Transformation des Menschen, sein Innen und Außen. Der Titel der Schau ist einem Lied von Jimi Hendrix entlehnt. Was der berühmte Gitarrist mit seiner psychedelischen Musik erwecken wollte, einen Zustand der Trance, eine angenehme Betrachtung des Menschlich-Möglichen, will auch Wakolbinger mit seinen Skulpturen. Besonders im Rahmen des neuen Ausstellungsraumes gelingt dies auf wunder bare Weise. (Timon Mikocki, Spezial, DER STANDARD, 2./3.6.2012)