Hotel ohne Hotelkorridor: Morgens und abends laufen den Gästen Fuchs und Hase über den Weg. Und zwar nicht nur sprichwörtlich.

Foto: wohnothek.at

Alle Zimmer sind komplett aus Holz gefertigt.

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Informationen: www.wohnothek.at

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Die Weinreben reichen fast bis vor die Zimmertür. Der streng linierte Weg erleichtert die Orientierung, falls das Abendessen mal zu flüssig oder die Weinverkostung gar zu überbordend war. "Genau das war die Idee", sagt Gerda Wiesler, Inhaberin des Weinguts Wachter-Wiesler und des dazugehörigen Feinschmeckerlokals Wachter-Wieslers Ratschen im burgenländischen Deutsch Schützen, nur einen Spaziergang von der ungarischen Grenze entfernt. "Wir haben viele Gäste aus der Großstadt, aus Graz, aus Wien, ja sogar aus München. Bisher mussten sie alle nach dem Abendessen nach Hause fahren oder in der Umgebung nach einem Zimmer suchen. Das fällt jetzt weg."

Gemeinsam mit ihrem Mann Josef Wiesler und drei befreundeten Winzern aus dem Ort errichtete Wiesler ein kleines Hotel namens "Wohnothek". Na ja. Doch das Besondere daran: Bei den zehn Zimmern, die allesamt nach Weinen und Rebsorten aus dem Ort benannt sind, handelt es sich um freistehende Holzboxen mitten in den Weingärten.

Statt eines Foyers gibt es einen geschotterten Vorplatz, die Lobby besteht aus einem gemütlichen Holzbankerl unter einem Kirschbaum, und statt durch ewig lange Hotelkorridore geht man an Fuchs und Hase vorbei. Und das ist ausnahmsweise keine Metapher. Es wird Tag und Nacht gehoppelt.

"Die Gäste schätzen das Ambiente sehr", sagt Wiesler. "In welchem Hotel kann man nach dem Duschen schon direkt ins Freie treten und bloßfüßig durch die Wiese marschieren?" Möglichkeiten dazu gibt es genug: Vor dem Zimmer liegt eine kleine Holzterrasse, und wer es besonders eilig hat, kann sogar aus dem Badezimmer zähneputzend an die frische Luft hüpfen. Zwischen 48 und 59 Euro pro Person kostet der bodenständige Luxus - Frühstück mit regionalen Produkten inklusive.

Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Hotel in den Reben hatten die Wiener Architekten Christoph Pichler und Johann Traupmann. "Ein normales Hotel wäre hier fehl am Platz gewesen", erklärt Traupmann. "Außerdem befindet sich das Grundstück mitten in einem Landschaftsschutzgebiet. Die behördlichen Auflagen waren recht streng."

Alles riecht nach Holz

Gut für den Gast. Jedes der insgesamt zehn Zimmer ist komplett aus Holz gefertigt. Kein Lack und kein Plastik weit und breit. Der feine, harzige Duft lässt keine Sekunde lang nach. Nur bei den Leuchtstoffröhren aus dem Baumarkt, die wie Dokumente der Lustlosigkeit an die Wand geschraubt sind, möchte man sofort wieder die Augen zukneifen. Kurzer Kommentar der Hotelinhaber: "Ist passiert. Wird bald ausgetauscht."

Die Wohnothek, die letztes Jahr mit dem Innovationspreis des Landes Burgenland ausgezeichnet wurde, ist ein geglücktes Exempel für sanften Tourismus - und zwar ganz ohne Pomp und ohne Tonkabohnenmatsch auf der Speisekarte. Da kann sich die zehn Kilometer weit entfernte Horrorthermenmetropole Stegersbach ein Beispiel nehmen.

Die Winzer in Deutsch Schützen sind jedenfalls happy, denn von den kleinen Holzboxen (Auslastung 85 Prozent in den ersten Monaten) haben auch andere Gästehäuser profitiert. Insgesamt sind die Nächtigungszahlen im Ort um 40 Prozent nach oben geschnellt. (Wojciech Czaja, Album, DER STANDARD, 2.6.2012)