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Jørn Utzons Sydney Opera House ist ein Musterbeispiel kultureller Nachhaltigkeit.

Foto: Reuters/Munoz

Energetisch ist das Sydney Opera House sicherlich kein großer Wurf. Und von Leistbarkeit kann bei einer 14-fachen Baukostenüberschreitung auch keine Rede sein. Aber für Wolfdieter Dreibholz, den Vorsitzenden der Grazer Altstadtsachverständigenkommission hat das Jahrhundertbauwerk 40 Jahre nach Eröffnung "kulturelle Nachhaltigkeit ungeahnten Ausmaßes" bewiesen, die durch den Kampf des damals noch jungen dänischen Architekten Jørn Utzon gegen die gesamte australische Gesellschaft noch an Bedeutung gewonnen hat.

Ebenso kompromisslos wie Dreibholz' Plädoyer für mutige Architektur tritt Karin Stieldorf vom Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien für die Schonung der Ressourcen im Wohnbau ein. "Gebäude, die ungesund und umweltschädigend und zu teuer und so gebaut sind, dass sie zu Nachbarschaftsstreit beitragen, sollten gar nicht gebaut werden," sagte sie. "Wir haben kein Recht, das, was die Erde bietet, gedankenlos zu verschwenden und kommenden Generationen eine versaute Erde zu hinterlassen."

Alles über Passivhäuser

In ihrem Unterricht an der TU bemüht sich Stieldorf, die vor zehn Jahren die Arbeitsgruppe für nachhaltiges Bauen gegründet hat, um die Verbindung von Architektur und Energieeffizienz und hat Schüler aus aller Welt, die vor allem etwas über Passivhäuser lernen wollen. Dabei habe sie eines gelernt: "Klimagerechtes Bauen erfordert Feingefühl und die intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Standort." Denn im Ausland seien die klimatischen Bedingungen ganz anders als in Österreich.

Ebenso wichtig wie die Architektur ist für Stieldorf die Regionalplanung: die Verdichtung von Stadtrandgebieten, um Verkehr zu vermeiden, und die Einbettung von Neubauten in den Bestand, um möglichst wenig verändern zu müssen.

Stieldorf ist ebenso überzeugt vom umweltschonenden Wohnbau wie Martin Trebersburg, der ressourcenorientiertes Bauen an der Universität für Bodenkultur in Wien unterrichtet. Energieeffiziete Wohnbauten, ob neu errichtet oder saniert, seien angesichts steigender Energiepreise zwingend notwendig, um die "Haushaltsenergiearmut" zu vermeiden.

Diese sei gegeben, wenn mehr als zehn Prozent des Einkommens zum Heizen verwendet werden müssen. "In einem Passivhaus braucht man für 70 m² zehn Euro im Monat zum Heizen und zehn Euro für Warmwasser", sagte Trebersburg. "Da ist Energiearmut nicht möglich."

Zukunftsinvestition

Passivhäuser seien auch bei der Errichtung nicht teurer als konventionelle Bauten, hätte eine Studie gezeigt. Und eine Untersuchung von 18 Wohnanlagen in Wien habe ergeben, dass auch die Wohnzufriedenheit in energieeffizienten Häusern viel höher sei. Trebersburgs Schluss: "Ein energieeffizientes Gebäude ist ein nachhaltiges Gebäude, die beste Investition in die Zukunft."

Für Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der Med-Uni Wien, ist die größte Herausforderung an die Nachhaltigkeit die Demografie. Die Menschen würden immer länger leben, immer mehr ziehe es in die Städte, und die Grenzen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz würden sich immer mehr verwischen. Benötigt werde daher auch "biografische und demografische Nachhaltigkeit"; und diese erfordere größtmögliche Flexibilität beim Wohnen, die Bereitschaft, Häuser abzureißen und neu zu bauen, und die Bereitschaft, alles neu zu überdenken. Kunze: "Stabil und kontinuierlich ist nur die Veränderung." (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7.6.2012)