Europa spielt bei der Krisenbekämpfung weiter auf Zeit und läuft dabei Gefahr, alles zu verspielen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bei ihrem Zinsentscheid am Mittwoch nicht an der Zinsschraube gedreht. Die Liquiditäts-Versorgung der Banken wurde verlängert - wieder nur eine Notlösung im Flickwerk der Euro-Rettung. Das allerorts geforderte Gesamtpaket lässt weiter auf sich warten.

Die Währungshüter setzen mit ihrem Stillhalten die europäische Politik einmal mehr unter Druck. Auch wenn sich die Stimmen mehren, die EZB solle als Feuerwehr eingreifen und den Euro retten: Solange sich die politische Spitze der Eurozone nicht auf mehr Union und weniger loser Verband einigt, kann auch die Notenbank keine Wunder bewirken.

Die Warnzeichen leuchten schon seit mehreren Jahren rot, doch hat sich Europa auf ein Herumwursteln eingespielt. Bei den unzähligen Gipfeln wird vieles angesprochen und angedacht. Immer wieder wird die ultimative Lösung präsentiert. Sobald aber ein wenig Erholung einsetzt, landen Ideen wie die Fiskalunion, die Finanztransaktionssteuer oder die Eurobonds schnell wieder in der Schublade. Verschieben statt verändern steht auf der Tagesordnung.

Doch die Welt dreht sich weiter, und leider hat sich die Krise in Europa, besser gesagt in der Eurozone, damit auch weiter verschärft. Griechenland steckt in der Rezession fest, und hat auch wenig Chance, mit dem auferlegten Spardiktat schnell wieder herauszukommen. Die spanische Bankenkrise beutelt das Land, die Finanzmärkte strafen Spanien mit hohen Zinsen. Jene Finanzmärkte, denen die Politik immer wieder entgegenkommt. Um sie zu besänftigen, und nicht in Panik zu versetzen. Jene Finanzmärkte, denen auch die EZB mit ihren Staatsanleihen-Programmen unter die Arme gegriffen hat. Natürlich unter der Prämisse, den Staaten die Finanzierung zu sichern.

Unterdessen entgleitet der Union aber die Realwirtschaft. Die Eurozone schrammt dank der Exporte noch knapp an der Rezession vorbei. Verharrt die Europapolitik in ihrer derzeitigen Dauerschleife aus Diskutieren und Weiterwursteln, steht der Kontinent bald vor einem wirtschaftlichen Ausnahmezustand.

Im Jahr 2008 war es der oft zitierte Casino-Kapitalismus, der die Finanzmarktkrise auslöste und der Weltwirtschaft einen ersten, nachhaltigen Schlag versetzte. Der Krisenpoker, den die Eurozone spielt, ist ebenfalls ein Glücksspiel. Wenn die Eurozone nicht bald auf ein neues Blatt setzt, sitzen am Ende womöglich nur noch Verlierer am Tisch. (Daniela Rom, derStandard.at, 6.6.2012)