An einem Tennisarm laborieren meist Hobbyspieler. Sind die Sehnen erst einmal angegriffen, sind Massage und Schonung angesagt. Eine Operation ist die letzte Option.

Foto: derStandard.at/Ursula Schersch

Der Händedruck lässt einen zusammenzucken. Schmerz spürt man nicht in der Hand, sondern im Ellenbogen. Drückt man außen auf den Knochen, tut das ziemlich weh. Sollte das Tennismatch gestern zu viel gewesen sein? " Ein Tennisarm oder Tennisellenbogen ist eine der am meisten unterschätzten chronischen Krankheiten", sagt Werner Zirngibl, Orthopäde und Sportmediziner am Medizinischen Versorgungszentrum Helios in München, "viele leiden jahrelang darunter und können irgendwann nicht mehr arbeiten." Am Anfang schmerzt es nur, später kann man Kaffeetasse oder Aktentasche nicht mehr halten.

Fast jeder zweite Tennisspieler bekommt irgendwann einen Tennisarm, eine Epicondylitis humeri radialis. "Viel häufiger sehen wir das aber bei Nichtsportlern", sagt Reinhard Weinstabl, Professor für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie in Wien. Zum Beispiel nach stundenlangem Schneeschippen oder Computerschreiben, nach Arbeiten mit dem Presslufthammer, länger dauerndem Schraubendrehen oder Hämmern. Die monotonen Bewegungen, Stöße oder Vibrationen reizten die Sehnen, die die Unterarmmuskeln mit dem Ellenbogenknochen verbinden, präzisiert Weinstabl. Es kommt zu einer Entzündung im Gewebe und zu Rissen in den Sehnen. Das Gewebe verdickt sich und kann verkalken.

Tennisspieler sind meist selbst schuld: Sie haben die falsche Technik, den falschen Schläger oder überschätzen sich selbst. "Trifft man vor allem bei der Rückhand den Ball zu spät, wird zu viel Kraft und Vibration in den Ellenbogen weitergeleitet", erklärt Zirngibl. Ist der Kopf des Schlägers zu schwer für den Spieler, braucht man zu viel Muskelkraft und überlastet die Sehnen. Ist der Kopf zu leicht, schwirrt der Schläger hin und her und muss Vibrationen ausgleichen. Die heute vielfach verwendeten Kunstsaiten seien zwar preiswerter als die aus Darm, aber weniger elastisch. "Viele lassen sich ihre Schläger aus falschem Ehrgeiz zu hart bespannen", weiß Zirngibl, das habe den gleichen Effekt, als wenn man mit einer Eisenstange ständig auf einen Stein haut - die Vibrationen würden ungedämpft an Sehnen und Knochen weitergeleitet.

Orthopädischer Check

Bei Schmerzen im Ellenbogen solle man also rasch zur orthopädischen Abklärung. "Je früher, desto besser ist die Aussicht auf Heilung", sagt Weinstabl. Bei den meisten Behandlungsmöglichkeiten ist die Wirkung bislang nicht nachgewiesen. Eis tut einigen gut, Salbenverbände mit nichtsteroidalen Antiphlogistika lindern die Beschwerden besser als Placebo. Ob auch Schmerztabletten wirken, ist nicht gesichert; außerdem leidet dabei jeder Dritte unter Nebenwirkungen im Darm. Physiotherapie oder Kortisonspritzen nutzen kurzfristig ebenfalls. Langfristig scheint das aber nicht besser zu sein als abzuwarten.

Eine Studie der Universität Amsterdam, bei der 185 Patienten zufällig einer der drei Behandlungsmöglichkeiten zugeteilt wurden, zeigte nämlich, dass es allen nach einem Jahr gleich gut ging. Akupunktur oder Ultraschall wirkten in Studien ebenfalls. Bei anderen Therapien wie Elektrotherapie, transelektrischer Nervenstimulation, Röntgenbestrahlung, Laser oder Botulinumtoxin-Spritzen gibt es noch nicht genügend Daten zur positiven Wirkung. Will man eher abwarten, kann eine Epicondylitis-Bandage helfen, Arbeiten des täglichen Lebens leichter zu verrichten. "Das Wichtigste ist Schonung", sagt Martin Gruber, Facharzt für Orthopädie und Leiter des Medizinzentrums Alser Straße in Wien, "sonst kann sich das Gewebe nicht erholen."

Im chronischen Stadium wirkt bei manchen noch die Extrakorporale Stoßwellentherapie, eine Behandlung mit Ultraschall. "Hat keine dieser Maßnahmen geholfen, kommt man um eine Operation nicht herum", sagt Gruber. "Wir operieren aber nur dann, wenn es wirklich notwendig ist."

Es gibt verschiedene OP-Verfahren, aber keine Vergleichsstudie, welche am besten ist. Das grundlegende Prinzip ist, die Sehne am Knochenansatz einzukerben und abgestorbenes Gewebe zu entfernen. Eingerissene Sehnen werden am Knochen festgenäht. "Manchmal veröden wir zusätzlich noch einen schmerzleitenden Nerv im Ellenbogenbereich," sagt Weinstabl. Auf dem europäischen Orthopädiekongress in Berlin wurde kürzlich eine neue Technik vorgestellt, bei der der Chirurg die eingerissene Sehne mithilfe eines kleinen Ankers aus Plastik am Knochen befestigt. "Davon profitiert vor allem der Hersteller des Ankers", kritisiert Gruber. "Knochen und Sehnen heilen genauso schnell ohne."

Wie gut bin ich?

Profispieler leiden selten unter einem Tennisellenbogen - sie haben passende Schläger und die richtige Technik. "Sie bekommen eine Epicondylitis eher an der Innenseite vom Ellenbogen", weiß Zirngibl. "Das liegt dann aber daran, dass sie zur Abwechslung Golf gespielt und dabei nicht das richtige Material gewählt haben - da ähneln sie Hobby-Tennisspielern."

Ein Tennisarm lässt sich vermeiden. "Niemals Schläger im Internet bestellen und sich lieber im Fachgeschäft beraten lassen", empfiehlt Weinstabl. Außerdem solle man die Bespannung dem Leistungsniveau anpassen. Zusätzliches Armmuskeltraining schützt ebenfalls vor Überlastung. Für Tennisarm-Geplagte im Beruf gibt es ergonomische Computermäuse oder Tastaturen. Hat man einmal einen Tennisarm gehabt, ist das Risiko groß, dass die Beschwerden wiederkommen. "Man sollte sich dann um seinen Ellenbogen kümmern wie um einen guten Freund", rät Zirngibl. "Überlastungen vermeiden, sensibel auf Probleme reagieren und darauf achten, dass der Spaß nicht zu kurz kommt." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 11.6.2012)