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Papst Benedikts Interesse für die Piusbrüder (im Bild rechts: Bischof Bernard Fellay von der Piusbruderschaft) setzt Standards, die der Pfarrer-Initiative von Helmut Schüller (Bild links) nützen werden.

Fotos: Reuters/balibouse, APA/Gindl

Kommt sie nun, die vom Papst so intensiv betriebene Einigung mit den Piusbrüdern, oder kommt sie nicht? In Rom beschäftigt sich die Glaubenskongregation intensiv damit, und die Gerüchte kochen hoch.

Was man jetzt schon sagen kann: Egal, wie es ausgeht, der Vorgang an sich hat bereits Standards gesetzt, hinter die Papst Benedikt schwer zurückkann. Kurioserweise nützen diese Verhaltensweisen gerade der Pfarrer-Initiative. So können die Erzkonservativen zum unverhofften Segen für die Kirchenreformer werden.

"Sollen wir sie wirklich beruhigt von der Kirche wegtreiben lassen? Ich denke zum Beispiel an die 491 Priester": Mit diesem Satz meinte der Bischof von Rom zwar nicht die aufmüpfigen Priester des österreichischen Aufrufes (das sind ja auch "erst" 421), sondern die geweihten Männer der lefebvrianischen Bruderschaft. Wenn ihn aber diese Zahl der erzkonservativen Klerikern so sehr bewegt, dass sie auf höchster vatikanischer Ebene verhandeln dürfen, warum sollten dann nicht auch bald die Fortschrittlichen im Vatikan zu Gesprächen empfangen werden?

Ebenso ist in Erinnerung gerufen: Die lefebvrianischen Bischöfe wurden exkommuniziert, weil sie in einem Akt des offenen Ungehorsams ihre Bischofsweihen empfangen hatten. Diese Exkommunikation wurde vom Papst als "leiser Gestus der Barmherzigkeit" zurückgenommen, obwohl diese weiterhin Vorbehalte haben, "was den Gehorsam gegenüber seiner Lehrautorität und gegenüber der des Konzils betrifft", wie Benedikt XVI. selbst sagt.

Welche Sanktionen soll da der Wiener Kardinal oder gar die Österreichische Bischofskonferenz gegen ihre Priester setzen, die sich im Gegensatz zu den Piusbrüdern ganz dem II. Vatikanischen Konzil verbunden wissen? Ihr Ungehorsam in pastoralen Fragen ist vergleichsweise harmlos. Zudem werden die verbotenen Taten von allen österreichischen Bischöfen inhaltlich gedeckt, solange sich niemand öffentlich dazu bekennt. (Das ist natürlich ein Trauerspiel in Sachen Wahrhaftigkeit, aber das ist ein anderes Thema.)

Ein Weiteres verdanken wir dem Vorgang: Es gibt einen offenen Dissens zwischen Kardinälen. Während Kardinal Kurt Koch kürzlich betonte, dass die lefebvrianische Priesterbruderschaft im Fall ihrer Aussöhnung mit Rom den Dialog mit dem Judentum akzeptieren müsse, bestreitet Kardinal Walter Brandmüller gar überhaupt die verbindliche Autorität dieser Konzilsdokumente.

Interessanterweise wurden beide Antagonisten im selben Konsistorium zu Kardinälen kreiert (20. November 2010). So unerfreulich der Anlassfall ist (es gibt also immer noch hochrangige Kirchenvertreter, die die Religionsfreiheit und die geschwisterliche Beziehung zum Judentum in Frage stellen!), so positiv ist zu vermerken, dass die bisherige Verhaltensnorm, wonach nach außen hin jeder Konflikt zu vermeiden ist und Einmütigkeit dort gespielt wird, wo sie nicht besteht, offensichtlich ein Ende hat. Ein wichtiger Schritt zur ehrlichen Konfliktaustragung.

Nun ist trotz seines Werbens um eine Gruppierung, die - wie leider die katholische Kirche vor dem II. Vatikanischen Konzil insgesamt - immer noch antisemitische Züge trägt, nicht anzunehmen, dass dieser Papst selbst ewig gestrigem Gedankengut nachhängt.

Unterstellen wir also positiv, dass er bis zuletzt um deren Rückkehr bemüht ist, weil er Randgruppen nicht in Extremismus abgleiten lassen will. (Integrieren statt Ausgrenzen, diese Strategie ist ja auch im weltlichen Bereich anzutreffen - und freilich auch da umstritten.)

Bestürzend bleibt allerdings, dass er die Integration bis ins Kardinalskollegium hinein betreibt. Umgekehrt wird er aber umso weniger Strömungen ausgrenzen können, die zumindest in Mitteleuropa von der Mehrheit der Gläubigen und Kleriker getragen werden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis auch die Pfarrer-Initiative ganz selbstverständlich in Rom ein- und ausgehen wird. Und bis ein Kardinal mutig genug ist, sich offen zu ihr zu bekennen.

PS: Und jetzt ist es wieder passiert: Mit Sondergenehmigung des Papstes wurde am 26. Mai in Deutschland ein ehemaliger Pastor, verheiratet und Vater von vier Kindern, zum katholischen Priester geweiht, ohne auf sein eheliches Sexualleben verzichten zu müssen.

Gleich am 2. Juni hat der Papst trotzdem den Pflichtzölibat für katholische Priester neuerlich verteidigt. Die priesterliche Ehelosigkeit sei "ein leuchtendes Zeichen" für ein solch "ungeteiltes Herz" und eine vollständige Hingabe an den seelsorgerischen Dienst für Christus, meldete Kathpress.

Die willkürliche Ausnahme für Konvertiten ist ein Hohn für jeden verdienten Diakon und Pastoralassistenten, der sich zum Priesteramt berufen fühlt, aber verheiratet ist. Und ein Hohn für jede Pfarrgemeinde, die solche Mitarbeiter gerne als Vorsteher ihrer Pfarre hätte.

In einem kleinen öffentlichen Streitgespräch diskutierte ich kürzlich mit Prof. Erich Leitenberger, der gleich drei Kardinälen (König, Groer, Schönborn) als Pressesprecher treu gedient hat, diese ärgerliche Inkonsequenz. Leitenberger besitzt die Gabe, zu allen Problemen und Widersprüchlichkeiten der katholischen Kirche beschwichtigende Erklärungen zu finden. Bei dieser willkürlichen Ausnahmeregelung gab auch er auf: "Das kann man niemandem mehr erklären."

PPS: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Der derzeitige Papst hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig.