Wien - Eine arme junge Frau wird daran gehindert, schon zu Lebzeiten ihren Körper gegen bares Geld der Anatomie zu vermachen: Christoph Marthalers Inszenierung von Ödön von Horvaths "Glaube Liebe Hoffnung" demonstriert im Wiener Museumsquartier auf ebenso überzeugende wie verstörende Weise, dass eine Gesellschaft in der Krise auf zähere Bindemittel zählt als auf schnödes Geld. Sie besitzt symbolische Unterdrückungsmittel: den süßen Gesang, das bürgerliche Benimmbuch. Und sie hat alle Zeit der Welt.

Auf Anna Viebrocks Bühne steht das Sozialamt eines heruntergekommenen Krisenbezirks: Vor der Glasfront dieser Menschenvernichtungsanstalt kämpft eine verdoppelte Elisabeth (Olivia Grigolli, Sasha Rau) um Fortkommen und Leben. Ihre Häscher sind die untoten Vertreter der Besitzstandswahrung: greise Polizisten, sentimentale Anatomen, abseitige Wissenschafter.

Die zwischenzeitlich dem Freitod durch Ertrinken entrissene Elisabeth wird mit Knäckebrot abgespeist: Im Marthaler-Land stirbt man öfter, von Schubert und Chopin getröstet, von schäbiger Eleganz in den ewigen Schlaf gewiegt. Ein kleiner Totentanz, ein später, großer Festwochen-Höhepunkt im Museums-Quartier, der seinen wohlwollenden Applaus verdient hat. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 14.6.2012)