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Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der Gačić Müller heißen muss, um sich akzeptiert zu fühlen - oder in einer, in der "Gačić" keine Nachteile mehr beim Bewerbungsgespräch oder der Wohnungssuche mit sich bringt?

Foto: ap / Hermann J. Knippertz

Vor knapp zwei Jahren habe ich eine junge erfolgreiche Frau porträtiert, die mir im Laufe des Gesprächs erzählte, dass ihr bei der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angeboten wurde, ihren Namen kostengünstig zu ändern, um sich das Leben in Österreich zu erleichtern. Sie hat freundlich abgelehnt.

Was dahintersteckt

Auf der Homepage des Magistrats St. Pölten weiterhin nachlesen, dass zwei Jahre nach der Verleihung der Staatsbürgerschaft der ausländisch klingende Name geändert werden kann. Nach einer hitzigen Diskussion auf der Facebook-Seite von daStandard.at wurde die Formulierung über die zulässigen Gründe für eine kostengünstige Namensänderung (45 statt 560 Euro) Anfang der Woche leicht umformuliert. Der entscheidende und seltsam anmutende Halbsatz ist allerdings noch immer zu lesen: Der neue Name "soll die Einordnung in Österreich erleichtern".

Gute Investition

Wenn Sie Mustafa oder Slavica heißen und Ihr Nachname ebenfalls kompliziert und in diesem Land fremd klingt und sie obendrein gerade auf Jobsuche sind, dann sind es gut investierte 45 Euro. Eine Namensänderung kann Ihnen unter Umständen die Einordnung in den Arbeitsmarkt erleichtern. Einer deutschen Untersuchung zufolge sinkt die Chance, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, um 14 Prozent, wenn es sich um einen Bewerber mit türkisch klingendem Namen handelt. In kleineren Unternehmen sind es sogar 24 Prozent.

Wenn Sie dann beim Vorstellungsgespräch aufgrund Ihres Akzents, Ihres Geburtsorts oder Ihrer Hautfarbe trotzdem diskriminiert werden? Nun, dafür gibt es noch keine kostengünstige Lösung. Aber vielleicht haben Ihre Kinder, die sie der leichteren Einordnung wegen bereits Karin oder Thomas genannt haben, mehr Glück, und Ihrem Nachwuchs gelingt in zweiter Generation das, was Ihnen verwehrt wurde.

Der deutsche Weg

Sarkasmus beiseite. Jedem Migranten (und auch Nichtmigranten) sei es natürlich überlassen, seinen oder ihren Namen nach Belieben zu ändern. In Österreich jedenfalls lässt das Gesetz es zu – und das unter diesen besonderen Umständen auch besonders kostengünstig. In Deutschland sieht das allerdings ein wenig anders aus: Als eine Familie aus Aserbaidschan deutsche Vor- und Nachnamen annehmen wollte, um möglichen Diskriminierungen zu entgehen, wurde das vom Verwaltungsgericht in Göttingen abgelehnt. Begründung: Es sei nicht Aufgabe des Namensrechts, einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung entgegenzusteuern.

Strukturelle Diskriminierung und tief sitzenden Vorurteile wird man tatsächlich nicht mit simpler Umbenennung bekämpfen können. Denn nicht nur der kleine Ali wird auf seinem Bildungsweg diskriminiert, Kevin erwartet Ähnliches. Migrationshintergrund ist in Österreich momentan in den meisten Fällen mit einer niedrigen sozialen Schicht gleichzusetzen. Und diesen Kindern aus bildungsfernen Unterschichten räumen Lehrer geringere Bildungschancen ein. Auch dazu gibt es Studien, allerdings wieder nur in Deutschland.

Tabuthema

Diskriminierung, welcher Ausprägung auch immer, ist in Österreich kein besonders beliebtes Thema, wissenschaftliche Studien gibt es dazu kaum. Auch der Integrationsstaatssekretär nimmt "Diskriminierung" nicht gerne in den Mund, es zählt allem Anschein nach auch nicht zu seinen Schwerpunktaufgaben. Wenn wir über Diskriminierung reden würden, müssten wir uns nämlich alle an der sprichwörtlichen Nase nehmen: Wir müssten auch über die Bringschuld der Mehrheits- oder Aufnahmegesellschaft reden. Doch das ist nicht der heimische Zugang zum Themenfeld Integration. Leisten, einbringen, einordnen – das sind die Stichworte, die den aktuellen Diskurs dominieren. Wenn man sich anstrengt, so die Botschaft, ist alles möglich, und falls es doch irgendwo Reibereien gibt, kann man es eben auch mit einer Namensänderung versuchen. So weit der zugegebenermaßen zugespitzte Rückschluss aus der oben dargestellten Eigenheit des österreichischen Namensgesetzes.

Sowohl das Urteil des deutschen Gerichts über den Antrag der aserbaidschanischen Familie als auch die österreichische kostengünstige "Einordnungshilfe" hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack und werfen eine wichtige Frage auf: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der Gačić Müller heißen muss, um sich akzeptiert zu fühlen – oder in einer, in der "Gačić" keine Nachteile mehr beim Bewerbungsgespräch oder der Wohnungssuche mit sich bringt? (Olivera Stajić, daStandard.at, 20.6.2012)