Im Grunde war der Rio+20-Gipfel bereits vorbei, bevor er Mittwochvormittag offiziell eröffnet wurde: An der Abschlusserklärung, die Brasiliens Außenminister Antonio Patriota am Dienstag per Akklamation absegnen ließ, wird sich nichts Grundlegendes mehr ändern.

Alle strittigen Punkte wurden verschoben: Frühestens 2014 soll ein Fonds für Entwicklung und Technologietransfer beschlossen werden - die Länder des Südens hatten 30 Milliarden Dollar jährlich gefordert. Ab 2015 könnten Nachhaltigkeitsziele eingeführt werden, zu welchen Themen blieb allerdings offen. Und zu einer Einigung über eine Konvention zum Artenschutz auf hoher See wird es nun frühestens im September 2016 kommen. Die EU scheiterte mit ihrem Ziel, eine "Road Map" für die "Green Economy" zu beschließen.

Für Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) war dies ein Grund, erst gar nicht nach Rio zu fahren. Seine Begründung: Die Verhandlungen sind von Brasilien für beendet erklärt und ein Schlussdokument beschlossen worden, noch ehe der Gipfel begonnen habe. "Das ist sehr merkwürdig, widerspricht allen üblichen Gepflogenheiten und ist eine vertane Chance." Nur zum Feiern wolle er daher nicht anreisen. Für Österreich ist Staatssekretär Wolfgang Waldner vor Ort. Berlakovich will beim nächsten Umweltministerrat thematisieren, wie man künftig mit solchen Prozessen und Gipfeln umgehen solle.

Die Entwicklungsländer beharrten auf der Betonung sozialer Aspekte und der Aufrechterhaltung des 1992 beschlossenen Prinzips "gemeinsamer, aber differenzierter Verantwortung", das zumindest theoretisch die Industrieländer stärker in die Pflicht nimmt. US-Verhandlungsführer Todd Stern sagte, viele Länder seien mit Teilen des Textes unzufrieden; deshalb werde Brasilien dafür sorgen, dass es beim kleinsten gemeinsamen Nenner bleibt.

Der brasilianische Umweltaktivist Rubens Born kleidete seinen Frust über die Vertagung zahlreicher Streitpunkte in eine Fußballmetapher: "Wenn man keinen Stürmer hat, bringt es nichts, nur den Ball nach vorne zu spielen."

Spott und Hohn gab es genug für das 49-seitige Abschlussdokument. "Nichts als Versprechungen", meinte Marcelo Furtado von Greenpeace Brasilien. "Heiße Luft" findet der deutsche Welthandelsexperte Michael Frein. Zufrieden registrierte er, dass aber auch die Green Economy zur "Worthülse" geworden sei.

Brasiliens frühere Umweltministerin Marina Silva vermisste bei ihrer Regierung Führungsstärke bei den Inhalten. Für die Inderin Vandana Shiva ist die Erklärung "verantwortungslos, dadurch wird die Untätigkeit der Regierungen gerechtfertigt".

Das Dokument sei immer noch zu sehr an Wirtschaftsinteressen ausgerichtet, sagte Hubert Weiger vom Bund Naturschutz Deutschland, "der Glaube an ein unbegrenztes Wachstum in einer begrenzten Welt ist ein Irrglaube".

Enttäuscht über den Stillstand beim Meeresschutz zeigten sich die Vertreter der Inselstaaten. "Ein schwaches Papier, aber eigentlich hatte ich auch nicht mehr erwartet", sagte Vasnatt Jogoo von der achtköpfigen Delegation aus Mauritius dem STANDARD. Er verwaltet einen Nachhaltigkeitsfonds der Regierung und erhofft sich von den Industrieländern ein größeres Entgegenkommen beim Technologietransfer. (Gerhard Dilger aus Rio de Janeiro, DER STANDARD, 21.6.2012)