Ausgerechnet jene Kräuter, die unser Kolumnist eher marginal schätzt, sind jene, die ihm seinen Garten mit aller Kraft zuwuchern.

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Das wird das Jahr der Kräuter! Als Mantra treuer Begleiter beim Starren auf die Schneedecke, als Überschrift diverser Gartenzeitschriften omnipräsent und als Ideengeber für die ewige Einkaufsliste, wurde aus der Aufforderung letztendlich Umsetzung. Umgesetzt mussten auch viele Nichtkräuter werden, um der Umsetzung der Aufforderung Raum zu geben. So klar, so einfach.In der Gärtnerei Bach wurde das gesamte Basilikumsortiment aufgekauft, beim Biofeigenhof Französischer Estragon, Arabisches Bergkraut und Melancholischer Nachtwurzkopf, und natürlich gab es noch die wirklich toughen Überwinterer, die selbst diesen Februar überstanden haben - Liebstöckel und Rucola. Na fein. Während ich in Basilikum baden könnte, mich auf Thymianmatten wälzen möchte und mich mit Salbeitrieben gerne auch einmal auspeitschen lasse, müssen ausgerechnet diese zwei schwindligen Kräuter in meinem Garten gedeihen, als ob sie den Welthunger besiegen wollten.

Der echte und der falsche Rucola

Ganz arg trieb es diesbezüglich der Rucola, der Schmalblättrige Doppelsame, vulgo Diplotaxis tenuifolia. Selbst unter dem Schnee schimmerte sein Grün durch, und als dieser schmolz, fing er so richtig an zu wachsen. Das tut er nun seit Monaten, der Doppelsame. Er gibt keine Ruhe. Nach anfänglicher Freude und ausdauerndem Rucola-Konsum reiße ich aber mittlerweile die Triebe wie Unkraut aus und schmeiße sie empört auf den Kompost. Empört über mich, dass die Pflanze mich so weit bringt, Essen wegzuschmeißen. Diplotaxis tenuifolia ist jener Rucola, den man von Salaten, Steakbeilagen und Italienurlauben kennt. Schmalblättrig, anständig bitter bis scharf und oftmals mit Trüffelöl getötet. Der echte, wirkliche Rucola hört auf Eruca sativa, folgt aber auch, wenn man ihn mit Garten-Senfrauke ruft. Seine Blätter sind weniger tief gelappt, breiter und die gesamte Pflanze wird deutlich höher. Den Weg nach Italien hat er über die Germanen gefunden, die ihn aus Potenzgründen verzehrt hatten, nicht wegen des guten Geschmacks.

Grünes Zuhause für Nacktschleimer

Merke, schon damals musste Meduzin (© Langstrumpf) bitter schmecken. Nur unsere Freunde südlich Nordsloweniens finden bittere Straßenrandgewächse und Disteln gut, und wir finden wiederum unreflektiert gut, was sie essen und essen daher auch diese bitteren, scharfen Blätter. Soll sein. Aber dass er in meinen Beeten alles überwuchert, dass er den Nacktschleimern unbeschädigt Unterschlupf und Schutz bietet - das geht zu weit. Der Kompost wird immer höher. Noch unnötiger ist der Liebstöckel, der von ausgeschlafenen Botanikern als Maggikraut und von Hobbygärtnern Levisticum officinale genannt wird. Einst aus einer Laune des Überflusses gekauft und eingesetzt, gedeiht dieser Doppeldolder wie keine andere Pflanze im Garten. Erst unterirdisch als Rhizom, treibt er zeitig aus und ist bis Mitte Juni gut zwei Meter hoch gewachsen. Warum Liebstöckel, warum nicht Indisches Basilikum?

Das unverwüstliche Maggikraut

Wie geht es einem, in dessen Garten es ständig latent nach Rindssuppe riecht? Was zum Heiligen Ambrosi soll ich mit so viel Maggikraut machen? Wenn man es in der Küche einsetzt, dann reichen zwei, drei kleine Blättchen, fein geschnitten, die man kurze Zeit in Suppen oder Eintöpfen mitziehen lässt, aber dieser Buschen? Dieser Buschen fühlt sich an diesem Standplatz derart wohl, dass er die zarte Rose beschattet, die Iris komplett einnimmt und den kriechenden Phlox verdrängt. Und kein Sturm kann ihn knicken, kein Pilz seinen gesunden Blattschimmer nehmen. Ein wahrer Schwarzenegger unter den Kräutern, nur leider noch unnötiger. Der mittlerweile einzige Zweck dieser beiden Wuchsgiganten ist jener, dass ich den zarten Verreckerln Basilikum, Thymian und Estragon zuflüstere, dass sie sich ein Vorbild nehmen sollten und dabei verstohlen auf den Liebstöckel zeige oder auf den Rucola weise. Vielleicht schauen sie sich ja etwas ab. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 22.6.2012)