Ausweitung des Parkpickerls, Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße: Kaum ein "Aufreger-Thema" in Wien, bei dem die SPÖ nicht gespalten agiert. Was immer die rote Führungsriege im Rathaus mit dem grünen Koalitionspartner aushandelt - die "Basis" agitiert dagegen.

Der mächtigsten sozialdemokratischen Landesorganisation widerfährt gerade, was Meinungsforscher und sonstige Auguren eigentlich den Grünen vorausgesagt hatten: dass sie sich in einer gemeinsamen Regierung aufreiben würden, dass sie nach kurzer Zeit heillos zerstritten sein würden - und dass sie gegen die in Beton gegossene Einigkeit des Gegenübers hilflos anrennen würden.

Noch sieht Bürgermeister Michael Häupl offenbar kein gröberes Problem. Er schweigt beredt und greift nur ein, wenn die Querschüsse aus den eigenen Reihen zu tief werden: Immerhin hatte er von Anfang an gesagt, die Ausweitung des Parkpickerls müsse seine neue Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou selbst ausstreiten: "Wir haben keine kollektive Führung." Wohl wahr. Aber es wäre nicht allein ein Problem der Grünen, wenn es nicht gelingt, die unter Stau und Parkplatznot leidenden Bezirke zu entlasten.

Denn eines ist klar: Nicht die Grünen vergraulen derzeit ihre Wähler. Es gibt, zumindest in Verkehrs- und Umweltfragen, keinen Unterschied zwischen grünen Versprechen im Wiener Wahlkampf und dem, was Vassilakou jetzt auf den Verhandlungstisch legt. Grüne Wähler (und grüne Basisfunktionäre in den Bezirken) sind damit einverstanden, dass der Verkehr in der Stadt reduziert wird, dass Autofahren mehr und Öffisfahren weniger kostet. Die Grünen haben also derzeit kaum etwas zu verlieren, im Gegenteil: Es könnte durchaus sein, dass sich auch ein paar Wechselwähler angesprochen fühlen.

Anders die Situation in der SPÖ: Als Rot-Grün vor eineinhalb Jahren antrat, begründete Häupl diese - für Österreich singuläre - Entscheidung damit, dass er sich lieber mit den Ökos "über die eine oder andere Straße streitet, als über Grundsätzliches wie Bildungsreformen mit der ÖVP". Das klang progressiv, vernünftig und reformorientiert - und eröffnete eine vage Option auch für die Bundespolitik.

Nur hatte Häupl offenbar die Rechnung ohne seine Partei gemacht. Denn in der SPÖ ist die Richtungsfrage längst nicht geklärt. Während die Mehrheit der roten Regierungsmitglieder die grünen Ideen durchaus unterstützt, fühlt sich die rote Basis in den Bezirken mit der Öko-Koalition höchst unwohl, und die Furcht vor der FPÖ, die scheinbar mühelos von Wahlerfolg zu Wahlerfolg tänzelt, ist groß. Dies ist weder ausgesprochen noch ausdiskutiert - Offenheit hat im Machterhaltungssystem der Wiener SPÖ kaum Platz. Zudem ist die Partei in interne Grabenkämpfe verstrickt, bei denen es hinter seinem Rücken schon längst um Häupls Nachfolge geht. Wenn rotregierte Bezirke opponieren, geht das mitunter nur vordergründig gegen die Grünen. Oft steckt eine gezielte Spitze gegen rote Spitzenpolitiker dahinter, die vermeintlich oder tatsächlich einer "verfreundeten" Fraktion angehören.

Diese innere Schwäche schadet den Roten mehr als die zehntausenden Stimmen, die Schwarz und Blau derzeit gegen das Parkpickerl sammeln. Häupl wird mehr als seinen Schmäh und sein Talent zum gezielten Poltern brauchen, um die Fronten zu befrieden. Scheitert Rot-Grün, trifft das die SPÖ am meisten. Nicht nur in Wien. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 25.6.2012)