Den Minister freut, wenn er nicht vorkommt:Rudolf Hundstorfer ist kein dankbares Opfer für Maschek-Künstler Peter Hörmanseder.

Foto: Standard/Hendrich

"Die Schadenfreude vergeht schnell, wenn etwa die Finanzministerin durch den Kakao gezogen wird", Hundstorfer über Konkurrenten in der Politik.

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"Historisch verspüre ich Dankbarkeit, die sich aber längst in Wurschtigkeit und Ärger gewandelt hat", sagt Hörmanseder.

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STANDARD: Der Minister kam im umfangreichen Maschek-Werk bisher nur mit einem Satz - "I hab ka Zeit, i muss ham nach Hundstorf" - vor. Ist er kein dankbares Opfer?

Hörmanseder: Es hat sich einfach noch nicht ergeben. Das einzige Mal bei einem Auftritt der Regierung bei Licht ins Dunkel ...

Hundstorfer: ... wo der Sozialminister natürlich nicht fehlen durfte.

Hörmanseder: Da lag es auf der Hand, ihm etwas zur Arbeitszeit in den Mund zu legen. Mehr war nicht drinnen, weil der ORF eh nur den Faymann interviewt hat.

Hundstorfer: Ich kann's verschmerzen und seh das eher als Stärke.

STANDARD: Wieso? Denkt man sich als Politiker nicht, Hauptsache ich komme vor, auch wenn ich - pardon - veroarscht werde?

Hundstorfer: Ich bin da eher auf der Linie "Keep cool" und muss nicht jeden Tag in der Zeitung stehen. Und wenn, dann soll ein bissl Qualität schon dabei sein.

STANDARD: Welche Politiker sind ergiebig, um von Maschek synchronisiert zu werden?

Hörmanseder: Solche mit markanten Charakterzügen. Ideal war der Gusenbauer, weil er ein Typ war, der etwas wollte, aber auch eine Drolligkeit und gewisse Schwächen an sich hatte - er wirkte dezent verfressen. In unseren Augen war Gusi wie Homer Simpson. Ähnlich gut war der Schüssel, der dieses absurd Verbissene zeigte.

STANDARD: Und die heutige Politikergeneration?

Hörmanseder: Die macht es uns schon immer schwerer. Fahle, farblose Wesen, die durchs Bild huschen, haben nichts Unverwechselbares an sich. Eine Figur wie der Spindelegger etwa gibt wenig her - schon sprachlich ist er sehr indifferent. Faymann brilliert zumindest mit seiner Stimme. Und er leistet sich kleine Ideologielosigkeiten, die sich thematisieren lassen - etwa, dass er als Sozialdemokrat konsequent jeden mit "Grüß Gott" begrüßt.

Standard: Lacht man als Politiker über die Kollegen?

Hundstorfer: Die Schadenfreude vergeht einem leider schnell - zum Beispiel, wenn gerade wieder die Finanzministerin durch den Kakao gezogen wird. Letztlich schadet dieses Image der ganzen Politik.

STANDARD: Manche Ihrer Genossen sind aber nicht so mundfaul, wenn es gilt, die Fekter'schen Fettnäpfchen auszuschlachten.

Hundstorfer: Eh, aber ich warne oft: "Legt's nicht noch nach!" Uns bringt das keine einzige Stimme - höchstens Ihnen ein Programm.

Hörmanseder: Auch nicht wirklich, denn Auftritte wie jene Fekters kann man nicht toppen. Die machen uns eher arbeitslos.

STANDARD: Ist es nicht zermürbend, dass man sich als Politiker heutzutage ständig im Griff haben muss?

Hundstorfer: Das Einzige, wo ich aufpasse, ist beim Rauchen in der Öffentlichkeit ...

STANDARD: ... weshalb unser Fotograf gerade Pause machen musste.

Hundstorfer: Man ist halt doch Vorbild. Aber Leben und Auftreten habe ich als Minister kaum verändert.

STANDARD: Also beratungsresistent wie der Gusenbauer?

Hundstorfer: Als Gewerkschaftspräsident habe ich Mediencoaching probiert. Beim zweiten Mal hat mein Trainer Josef Broukal aufgegeben: "Mach weiter, wiesd' bist, und aus!"

Hörmanseder: Und Stilberatung?

Hundstorfer: Stilgefühl entwickelt man im Laufe eines Politikerlebens. Ich bin ja irrsinnig lange im Wiener Gemeinderat gesessen ...

STANDARD: ... der aber - Stichwort Pepita-Sakkos - nicht immer die beste Modeschule war ...

Hundstorfer: Ein bissl passt zum Glück meine Frau auf. Aber ich habe weder einen Mode- noch Rhetorikberater.

Standard: Aber ein Vorbild, von dem Sie sich was abschauen?

Hundstorfer: Man schielt immer ein bissl nach Amerika, auf Barack Obama natürlich. Ein paar Mal hatte ich auch das Vergnügen, mit Bill Clinton zu reden - tolle Ausstrahlung, perfekte Vorbereitung. Clinton wusste Details vom österreichischen Arbeitsmarkt, da bin ich flachgelegen!

STANDARD: Von einem Image wie Obama und Clinton können die heimischen Politiker aber nur träumen. Zählen Sie auch zu den Verdrossenen, Herr Hörmanseder?

Hörmanseder: Mich ärgert zumindest die permanente Hysterie in der Politik, an der die Medien genauso mit schuld sind. Die Regierung schielt ständig auf die nächste Wahl - um bis dorthin auf keinen Fall etwas zu machen, was jemanden verkrätzen könnte.

Hundstorfer: Was ich wahrnehme, ist ein stärkeres Misstrauen: Du brauchst heute länger, bis man dir etwas glaubt. Aber sobald ich vor Ort bin und mit den Leuten reden kann, geht das gleich besser. In Wahrheit gibt es nur eine Gegenoffensive: Auße, auße, auße!

Hörmanseder: Es muss sich schon auch die Politik selbst ändern. Oft scheitern Vorhaben, weil der eine dem anderen keinen Erfolg gönnt. Ich verstehe ja, dass sich Regierungsparteien konkurrenzieren, und will beileibe keinen Schulterschluss, sehr wohl aber Sachlichkeit bei wichtigen Entscheidungen. Die Packelei nervt. Sie öffnet die Tür für Populisten, die dann mit irgendeiner Farbe eine leicht verständliche Pseudolösung drüberfärbeln.

STANDARD: Dem Vorwurf der Packelei haben Sie sich gerade bei der Besetzung des Arbeitsmarktservice Wien ausgesetzt, Herr Minister. Warum haben Sie nicht die laut interner Bewertung bestqualifizierte Frau zur Leiterin gemacht?

Hundstorfer: Der Verwaltungsrat des AMS konnte sich über Monate auf keinen neuen Geschäftsführer einigen, also musste ich gemäß dem Gesetz die Entscheidung treffen. Die übermittelten Unterlagen enthielten keine Reihung, beide Kandidatinnen wurden als geeignet qualifiziert. Ich habe mich auf dieser Grundlage entschieden.

STANDARD: Können Sie als Linker mit der SPÖ etwas anfangen, Herr Hörmanseder?

Hörmanseder: Als Kind der Siebzigerjahre profitiere ich von Bruno Kreiskys Bildungsreformen - ohne die säße ich wohl nicht bei diesem Interview. Historisch verspüre ich also große Dankbarkeit, die sich aber längst in relative Wurschtigkeit, gepaart mit Ärger, verwandelt hat. Auch die SPÖ hat immer wieder den Anspruch des sozialen Zusammenlebens der Wirtschaftlichkeit geopfert. Einst gab es etwa die Vision der leistbaren Wohnungen - heute sind die Preise wieder kaum bezahlbar, doch ich sehe wenig Reaktion.

Hundstorfer: Mit der Wohnbeihilfe versuchen wir einiges aufzufangen. Die Regierungspolitik zeigt schon eine sozialdemokratische Handschrift: Wir pumpen eine Milliarde in aktivierende Arbeitsmarktpolitik, haben mitten in der Krise die Mindestsicherung erhöht. Auch die Vermögensbesteuerung wurde ausgebaut.

STANDARD: Warum nickt die SPÖ den Fiskalpakt ab, wo sie ständig vor dem Kaputtsparen warnt?

Hundstorfer: Wenn Europa mit den Schulden solidarisch umgehen soll, braucht es auch Regeln, damit diese nicht aus dem Lot geraten. Die Sozialdemokratie bemüht sich, das halbwegs sozial zu gestalten. Und es steht im Pakt ja auch nicht drinnen, dass man keine neuen Einnahmen - eben Vermögenssteuern - einheben darf.

Hörmanseder: Die Politik sucht gefällige Lösungen. Ich wünsche mir aber Visionen, die die Gesellschaft verändern - auch, wenn das zehn Jahre dauert.

STANDARD: Fallen der Politik keine Visionen mehr ein?

Hundstorfer: Doch. Aber sie sind in den letzten Jahren untergegangen, weil wir ständig beschäftigt waren, etwas zu reparieren.

Hörmanseder: Haben Sie denn eine?

Hundstorfer: Ja, erstens, dass Österreich später in Pension geht. Die zweite ist die generelle Ausbildungsverpflichtung. Wir müssen Jugendliche nach der Pflichtschule dazu bringen, eine weitere Ausbildung zu machen. Egal, welche - nur tu etwas!

Hörmanseder: Ich habe selbst eine Vision, die ich Ihnen gerne schenke. Warum gibt es kein Recht auf Nichtarbeit? Der Mensch braucht Zeit, um auszuprobieren, was er kann, will und soll. Ich hatte als Student einst noch den Luxus, eine Zeit lang einfach nur das Leben zu studieren - auch wenn es fürs Zeugnis nichts brachte.

STANDARD: Heute ist das total verpönt. Du sollst schnell fertigstudieren, bis 70 durchhackeln ...

Hörmanseder: ... und bist als junger Menschen von Anfang an in der Tretmühle. Mir schwebt eine Art Stipendium für ein Jahr zur Selbstfindung vor. Etliche werden in dieser Zeit saufen und nix machen - aber viele werden auch auf Neues draufkommen.

Hundstorfer: Wir diskutieren so etwas Ähnliches in einigen Branchen. Geplant ist ein Lebensarbeitskonto, in das man auch Sabbaticals einbauen kann. In der Gemeinde Wien gab es so etwas schon: Vier Jahre arbeiten, ein Jahr frei. Nur leider hat das nur eine minimalistisch kleine Gruppe von Personen in Anspruch genommen, die ungebunden war.

Hörmanseder: In einzelnen Betrieben geht's wohl leicht. Fein wäre aber ein Grundrecht für alle.

Hundstorfer: Das Problem ist nur: An der Arbeit hängt die Finanzierung des gesamten Sozialsystems. Die Vermögenssteuer steht eh in unseren Programmen - nur brauchen wir eine Mehrheit.

STANDARD: Haben Politiker die Tretmühle niemals satt?

Hundstorfer: Ich verrate Ihnen etwas: Wenn ein Politiker behauptet, er habe eine Sieben-Tage-Woche, erzählt er einen Schmäh. Zumindest haben es Minister leichter als Lokalpolitiker.

STANDARD: Sie müssen nicht mehr auf jeden Kirtag gehen?

Hundstorfer: Nur auf jeden dritten.

STANDARD: Was ist der Reiz?

Hundstorfer: Du kannst gestalten, bekommst Anerkennung. Und was ich alles kennenlerne, ist sensationell: Es gibt Betriebe am flachen Land, die sind Weltmarktführer. Neulich war ich mit dem Caritas-Obdachlosenbus unterwegs - ohne Medien. Da habe ich einen kennengelernt, der seit 20 Jahren auf der Donauinsel lebt, aber auch ein 16-jähriges Mädel von der Straße. Da beginnst du wieder nachzudenken, ob unsere Programme tatsächlich greifen.

STANDARD: Haben Sie noch einen persönlichen Traum?

Hörmanseder: Bürgermeister von Wien vielleicht?

Hundstorfer: Da spekuliere ich nicht. Das wird man oder nicht.

Hörmanseder: Vom Klischee her würd's passen: Etwas Häuplartiges haben Sie an sich. Man kann sich vorstellen, dass Sie nach Feierabend auf ein Bier gehen.

Hundstorfer: Feierabend kann schon passieren. Aber nächtelang tschechern gehe ich nicht mehr. (Gerald John, DER STANDARD, 30.6.2012)