Bild nicht mehr verfügbar.

Axl Rose bei seiner Nachtschicht bei Graz. Der Chef von Guns N' Roses rockte und krächzte hart. 

Foto: APA

Graz - Klassentreffen sind oft mühsam. Die Erinnerungen daran fallen spärlich aus und sind nicht immer erwünscht. Meistens weiß man jedoch gerade noch, welcher Song verantwortlich war, um die Party vor dem ersten Blutvergießen zu verlassen. Seit den späten 1980er-Jahren liefern Guns N' Roses einige davon ab. "Paradise City", zum Beispiel. Das war dann passenderweise der Song, mit dem die Guns von Freitag auf Samstag ihren einzigen Österreich-Gig 2012 im Schwarzl Freizeitzentrum bei Graz beendeten.

Doch von Anfang an: Als Vorband durften The Cult zeigen, wie's geht: schnörkelloser Hardrock. Dafür sei unter anderem Rick Rubin gedankt, der 1987 die LP "Electric" produzierte und die düsteren Brit-Rocker damit auf die richtige Spur brachte. Billy Duffys Gitarre peitschte Sänger Ian Astbury durchs Programm. Das ist nichts Schlechtes, und in rund einer Stunde erspielten sie sich zumindest Respekt.

Dann kam es zu einer ziemlich langen Pause, über die sich vor allem einer freute: der Wirt. Er durfte doppelt und dreifach ausschenken, und so wunderte es nicht, das so manchem Gast eine gewisse Paralyse ins Gesicht geschrieben war - noch bevor der eigentliche Star des Abends die Bühne betreten hatte

Nach 50 Minuten Wartezeit pfiffen rund 15.000 Fans Mr. Axl Rose regelrecht auf die Bühne. Donnerwirbel, Pyrotechnik - und da war er, als hätte er nach kurzem Zögern nun doch noch beschlossen, auf dem von ihm organisierten Klassentreffen zu erscheinen, gnädigerweise.

Der Opener "Chinese Democracy" fiel noch etwas unauffällig aus, aber ab dem zweiten Song, "Welcome to the Jungle", hatte er das Publikum fest im Griff. Natürlich, sein bester Kumpel aus den wilden Tagen des Hairy Metal war nicht dabei: Slash, der Gitarrenzauberer mit Zylinder, verdingt sich heute bei Ozzy Osbourne.

Kein Bindemittel

Aber so ist das halt. Erfolg, Geld und Drogen sind nicht zwingend ein Bindemittel unter Bandkumpels. Von der Originalbesetzung der Band aus Los Angeles blieb nur Axl Rose, heute auch schon 50 - und keinen Tag jünger wirkend. Aber egal. Den Besuchern war das recht so, und um ehrlich zu sein, es hätte schlimmer kommen können.

Die Herrschaften um Axl Rose rauften sich in den letzten Jahren zu einer Art Las-Vegas-Begleitband zusammen, und Rose hat zumindest in Graz in den drei Stunden nichts anbrennen lassen. Dass, wie eingangs beschrieben, Songs wie "Live and Let Die" Fluchtgedanken auslösen und die neueren Songs nur dumpf dahinnudeln, ist eine Sache.

Andererseits hielt Roses Stimme, und körperlich schien er ganz beweglich. Spätestens bei der zwölfminütigen Bob-Dylan-Coverversion von "Knockin' on Heaven's Door" wussten dann alle, warum sie hier waren. Das Treffen der Klasse von 1992. So ein Klassentreffen schöpft aus der Erinnerung, nur die geht ins Blut, und Blutauffrischung - ganz friedlich - gab's genug. (Martin G. Wanko, DER STANDARD, 2.7.2012)