Wien - "Wenn wir die Angst vor dem Terror zum Anlass nehmen, die Rechtsstaatlichkeit abzubauen, dann haben die Terroristen ihr Ziel erreicht. Und die Rechtsstaatlichkeit wird in dünnen Scheiben abgehobelt." Für Rupert Rausch ist die Erkenntnis nicht nur rein philosophischer Natur, sondern Teil seines Berufs. Schließlich verteidigt er einen der Männer, die acht Tage lang vor dem Wiener Landesgericht saßen, da sie Mitglieder einer terroristischen Vereinigung sein beziehungsweise solche Gruppen unterstützt haben sollen.

Angeklagt sind alle wegen des umstrittenen "Terrorparagraphen" 278b. Den nicht nur Rausch in seinem Schlussplädoyer kritisiert, sondern auch Lennart Binder, der den 26-jährigen Hauptangeklagten Thomas A. verteidigt. Das Gesetz sei nach 9/11 geschaffen worden, um Verdächtige herauszufiltern, die Selbstmordanschläge begehen wollen, "aber nicht, um soziale Randgruppen oder Aktivisten wie Tierschützer zu treffen", führt Binder aus.

Angeklagter: "Keine Terrorausbildung"

Wobei ihm Staatsanwältin Nina Mayrgündter ja vielleicht sogar recht geben würde - in ihrem Schlussvortrag zeigt sie sich aber sicher, dass es bei Thomas A. um mehr geht. Natürlich habe der nach Somalia reisen wollen, um sich dort den Al Shabaab-Milizen anzuschließen. Natürlich habe er Geld an einen Freund überwiesen, der in Pakistan in einem terroristischen Ausbildungscamp war. Natürlich habe er auf seiner Webseite Reden und Artikel von radikalen Islamisten veröffentlicht.

Standpunkte, die der Angeklagte, der mit 15 zum Islam konvertiert ist, nicht versteht. Erstens wollte er nicht zur Terrorausbildung nach Somalia fahren, sondern um das Land kennenzulernen und unter Gleichgläubigen zu leben. Und zweitens sei das, selbst wenn der Vorwurf zuträfe, damals nicht strafbar gewesen.

Geld für Koranschule

Dass er Geld nach Pakistan überwiesen habe stimme. Nur: Der Empfänger habe eine Koranschule besucht und Mittel benötigt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Was die Texte auf seiner Website betreffe: Die habe er veröffentlicht, um seine Gesinnung zu verdeutlichen. Illegal sei davon aber nichts gewesen.

Richterin Daniela Zwangsleitner, die dem Schöffensenat vorsitzt, bohrt da doch etwas nach und will wissen, wie er den Unterschied zwischen Widerstandskämpfern und Terroristen definiert. "Terroristen sind jene, die Anschläge in den Besetzerländern durchführen", erklärt er. Aber das lehne er ab.

Freispruch für Mitangeklagten

Sharif M., Mandant von Rausch, sitzt hier, da er in einem abgehörten dreiminütigem Telefonat versucht haben soll, einen Kontakt mit einem Spendensammler zu vermitteln. Das Treffen kam aber nicht nur nicht zustande, sondern der Staatsschutz hat im Abhörprotokoll auch Namen vertauscht, wie Rausch nachweist.

In M.s Fall fällt der Schöffensenat dann tatsächlich einen Freispruch aus Mangel an Beweisen. Ganz anders bei A.: Er wird, ebenso nicht rechtskräftig, zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Gegen zwei weitere Angeklagte wird getrennt weiter verhandelt. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 4.7.2012)